Leviathan erwacht - Corey, J: Leviathan erwacht - Leviathan Wakes (The Expanse Series Book 1)
auf und ging den leicht gekrümmten Korridor hinunter. Er drehte sich nicht um.
Holden kehrte in seine Wohnung zurück und versuchte, sich zu entspannen, doch er war zu aufgeregt und nervös. Ohne Millers Hilfe hätte er nicht von Eros fliehen können. Daran bestand kein Zweifel. Es fühlte sich falsch an, den Mann einfach hinauszuwerfen. Als sei die Geschichte noch nicht beendet.
Andererseits lief es ihm jedes Mal kalt den Rücken hinunter, wenn er sich mit Miller in ein und demselben Raum befand. Der Cop war wie ein unberechenbarer Hund, bei dem man nie wusste, ob er einem die Hand ableckt oder ins Bein beißt.
Holden spielte mit dem Gedanken, Fred zu warnen. Stattdessen rief er Naomi an.
Sie meldete sich nach dem zweiten Rufton. »Hallo.« Im Hintergrund hörte Holden die aufgedrehte, von Alkohol getriebene Fröhlichkeit einer Bar.
»Naomi.« Er hielt inne, um sich einen Vorwand für den Anruf auszudenken. »Miller war gerade da.«
»Ja, er hat auch schon Amos und mich behelligt. Was wollte er denn?«
»Keine Ahnung.« Holden seufzte. »Vielleicht Auf Wiedersehen sagen.«
»Was tun Sie gerade?«, fragte Naomi. »Wollen wir uns treffen?«
»Ja, gern. Sehr gern.«
Zuerst erkannte Holden die Bar nicht, doch nachdem er bei einem berufsmäßig freundlichen Kellner einen Scotch bestellt hatte, wurde ihm klar, dass es genau jenes Lokal war, in dem Naomi zu einem Punksong der Gürtler Karaoke gesungen hatte. Es kam ihm so vor, als sei das schon eine Ewigkeit her. Als sein Drink serviert wurde, tauchte sie auf und setzte sich ihm gegenüber in die Nische. Der Kellner sah sie fragend an.
»Oh, nein.« Sie wedelte mit beiden Händen. »Ich hab heut schon genug gehabt. Nur etwas Wasser bitte.«
Als der Kellner ging, sagte Holden: »Was ist eigentlich Golgo? Und wie ist es gelaufen?«
»Das ist ein Spiel, das sie hier spielen«, erklärte Naomi. Sie nahm das Glas Wasser vom Kellner in Empfang und trank einen großen Schluck. »Eine seltsame Mischung zwischen Darts und Fußball. Ich habe es noch nie vorher gesehen, aber anscheinend bin ich ganz gut darin. Wir haben gewonnen.«
»Schön«, erwiderte Holden. »Danke, dass Sie gekommen sind. Ich weiß ja, dass es schon spät ist, aber dieser Miller hat mir zugesetzt.«
»Sie sollten ihm wohl die Absolution erteilen.«
»Obwohl ich selbstgerecht bin.« Holden stieß ein sarkastisches Lachen aus.
»Das sind Sie«, bekräftigte Naomi ohne jede Ironie. »Ich meine, es ist ein überfrachtetes Wort, aber Sie sind näher dran als jeder andere, den ich je gekannt habe.«
»Ich habe alles vermasselt«, platzte Holden heraus, ehe er sich’s versah. »Alle, die uns helfen wollten oder denen wir helfen woll ten, sind auf spektakuläre Weise gestorben. Dieser verdammte Krieg. Kapitän McDowell, Becca und Ade. Und Shed …« Er hielt inne und schluckte, weil er einen Kloß im Hals hatte.
Naomi nickte nur, dann nahm sie seine Hand.
»Ich brauche ein Erfolgserlebnis, Naomi«, fuhr er fort. »Ich muss etwas tun, das etwas ändert. Das Schicksal, das Karma oder Gott oder wer auch immer hat mich in diese Sache hineingeworfen, und jetzt will ich wissen, dass ich etwas ausrichten kann.«
Naomi lächelte und drückte seine Hand.
»Sie sind süß, wenn Sie edel sind«, sagte sie, »aber Sie müssen dabei ein wenig mehr in die weite Ferne starren.«
»Sie machen sich über mich lustig.«
»Ja«, gab sie zu. »Das mache ich. Kommen Sie mit zu mir?«
»Ich …«, setzte Holden an, dann hielt er inne, starrte sie an und fragte sich, ob sie gescherzt hatte. Naomi lächelte ihn immer noch an, und in ihren Augen lagen nichts als Wärme und eine Spur Belustigung. Während er sie ansah, fiel ihr eine Locke vors Auge. Sie schob sie weg, ohne den Blick abzuwenden. »Warten Sie mal, ich dachte, Sie …«
»Ich sagte, Sie sollen mir nicht sagen, dass Sie mich lieben, um mich ins Bett zu bekommen«, antwortete sie. »Ich sagte aber auch, dass ich in den letzten vier Jahren jederzeit in Ihre Kabine mitgekommen wäre, wenn Sie gefragt hätten. Das war jetzt gerade wohl nicht sehr subtil, aber ich bin es leid zu warten.«
Holden lehnte sich zurück und erinnerte sich, dass er hin und wieder atmen musste. Naomis Grinsen war jetzt eindeutig schalkhaft. Sie zog eine Augenbraue hoch.
»Alles klar, Matrose?«, sagte sie.
»Ich dachte, Sie gehen mir aus dem Weg«, stieß er hervor, als er endlich wieder reden konnte. »Ist das Ihre Art, mir einen Sieg zu verschaffen?«
»Beleidigen Sie mich
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