Leviathan erwacht - Corey, J: Leviathan erwacht - Leviathan Wakes (The Expanse Series Book 1)
sagen. Miller trennte die Verbindung. Er hatte sein Wohnloch sowieso schon fast erreicht.
Es war nichts Besonderes. Eine anonyme Behausung auf der Station, die sogar noch weniger persönliche Merkmale aufwies als seine Unterkunft auf Ceres. Er setzte sich auf die Koje und überprüfte auf dem Terminal den Status der Bombenschiffe. Allmählich wurde es Zeit, sich zum Dock zu begeben. Diogo und die anderen versammelten sich bereits. Einige litten wohl noch unter den Nachwirkungen des Drogenrauschs, nachdem sie zur Feier der Mission wilde Partys gemacht hatten, aber es war immerhin möglich, dass sie bereits alle angetreten waren, und er selbst hatte keine passende Entschuldigung.
Julie saß in dem Raum hinter seinen Augen. Sie hatte die Beine untergeschlagen. Sie war schön. Sie war wie Fred, Holden und Havelock gewesen. Jemand, der in der Schwerkraftsenke geboren war und aus eigenem Antrieb in den Gürtel gekommen war. Diese Entscheidung hatte sie das Leben gekostet. Wäre sie dortgeblieben, auf diesem Geisterschiff …
Sie legte den Kopf schief, das Haar pendelte in der von der Rotation erzeugten Schwerkraft. Ihre Augen blickten fragend. Natürlich hatte sie recht. Es hätte vielleicht den Ablauf verzögert, aber es hätte die Verbrecher nicht aufgehalten. Protogen und Dresden hätten sie früher oder später gefunden. Sie hätten die Viren gefunden, oder sie hätten von vorn begonnen und sich ein paar neue Proben besorgt. Nichts hätte sie aufhalten können.
Außerdem wusste er – ebenso sicher, wie er wusste, wer er selbst war –, dass Julie sich von den anderen unterschied. Sie hatte den Gürtel und die Gürtler und die Notwendigkeit, immer weiterzumachen, verstanden. Sie hatte in einem Luxus gelebt, den Miller nie gekannt hatte, doch sie hatte alldem den Rücken gekehrt. Sie war hier herausgekommen und geblieben, auch als die Eltern gedroht hatten, ihre Rennpinasse zu verkaufen. Ihre Kindheit und ihren Stolz.
Dafür liebte er sie.
Als Miller im Dock eintraf, wurde ihm sofort klar, dass etwas passiert war. Er sah es an der Haltung und den halb amüsierten und halb freudigen Mienen der Arbeiter. Miller meldete sich an und kroch durch die unbequeme Ojino-Gouch-Luftschleuse, die seit siebzig Jahren veraltet und kaum größer war als ein Torpedoschacht, in den engen Mannschaftsbereich der Talbot Leeds . Das Schiff sah aus, als sei es aus zwei kleineren Einheiten zusammengefügt worden, wobei man auf das Design nicht den geringsten Wert gelegt hatte. Die Beschleunigungsliegen waren in Dreierreihen übereinander angebracht. Es roch nach altem Schweiß und heißem Metall. Jemand hatte vor kurzer Zeit Marihuana geraucht, die Luftfilter hatten den Geruch noch nicht entfernt. Diogo und ein halbes Dutzend andere waren schon da. Jeder trug eine andere Uniform, aber alle waren mit dem Armband der AAP ausgestattet.
»Oi, Pampaw! Hab dir die oberste Koje reserviert!«
»Danke«, sagte Miller, »vielen Dank.«
Dreizehn Tage. Er würde sich dreizehn Tage lang diesen engen Raum mit der Bombenmannschaft teilen. Dreizehn Tage, auf die Liegen geschnallt, während im Lagerraum einige Megatonnen an Sprengstoff verstaut waren. Trotzdem lächelten sie alle. Miller hievte sich auf die Liege, die Diogo ihm freigehalten hatte, und nickte in die Richtung der anderen.
»Hat jemand Geburtstag?«
Diogo zuckte mit den Achseln.
»Warum haben die alle so gute Laune?«, fragte Miller schärfer, als er es beabsichtigt hatte. Diogo war nicht beleidigt, sondern zeigte ihm die großen, rot geschmückten Zähne.
»Nix gehört?«
»Nein, ich habe nichts gehört, sonst würde ich nicht fragen«, sagte Miller.
»Mars hat das Richtige gemacht«, erklärte Diogo. »Haben den Feed von Eros erwischt, zwei und zwei zusammengezählt und …«
Der Junge drosch sich die Faust in die offene Handfläche. Miller konnte nicht ergründen, was damit gemeint war. Hatten sie Eros angegriffen? Hatten sie sich Protogen vorgenommen?
Ah. Protogen. Protogen und Mars. Miller nickte. »Die Forschungsstation auf Phoebe«, sagte er. »Mars hat eine Quarantäne verhängt.«
»Quark, Pampaw. Pulverisiert haben sie sie. Der Mond ist futsch. Die haben genug Atombomben abgeworfen, um das Ding in Elementarteilchen zu zerlegen.«
Hoffentlich, dachte Miller. Es war kein großer Mond gewesen. Wenn Mars ihn wirklich zerstört hatte, und es war nur ein Protomolekül übrig geblieben, das auf einem Brocken …
»Tu sabez?«, sagte Diogo. »Sie stehen jetzt auf unserer
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