Leviathan erwacht - Corey, J: Leviathan erwacht - Leviathan Wakes (The Expanse Series Book 1)
Weihnachtsbaums, ihrer Arbeit nachgingen. Durch das ganze Stahlgerippe von Tycho lief ein kleiner Schauder. In acht Stunden sollte die Nauvoo weit genug entfernt sein, um die mächtigen Maschinen starten zu können, ohne mit den ausgestoßenen Gasen die Station zu gefährden. Danach würde es noch einmal mehr als zwei Wochen dauern, bis sie Eros erreichte.
Miller würde achtzig Stunden vorher dort eintreffen.
»Oi, Pampaw«, sagte Diogo. »Alles klaro?«
»Ja«, antwortete Miller seufzend. »Ich bin bereit. Ruf die Leute zusammen.«
Der Junge grinste. In den Stunden nach der Übernahme der Nauvoo hatte Diogo drei seiner Schneidezähne mit hellrotem Plastik verziert. In der Jugendkultur der Tycho-Station hatte das offenbar eine tiefe Bedeutung und symbolisierte Standhaftigkeit, vielleicht sogar in sexueller Hinsicht. Miller war froh, dass er nicht mehr bei dem Burschen wohnen musste.
Da er jetzt die Sicherheitsmaßnahmen der AAP leitete, wurde ihm die irreguläre Natur der Gruppe deutlicher denn je. Früher war er davon ausgegangen, die AAP könne sich ernstlich gegen die Erde oder den Mars wehren, falls es zu einem echten Krieg käme. Natürlich verfügten sie über mehr Geld und mehr Ressourcen, als er angenommen hatte. Und sie hatten Fred Johnson und jetzt auch Ceres, solange sie den Stützpunkt halten konnten. Sie hatten die Thoth-Station angegriffen und gesiegt.
Doch dieselben jungen Leute, mit denen er den Angriff durchgeführt hatte, waren auch bei der Übernahme der Nauvoo dabei gewesen, und die Hälfte von ihnen würde mit den Bombenschiffen nach Eros fliegen. So etwas würde Havelock nie verstehen, so wenig wie Holden. Vielleicht konnte niemand, der in der Sicherheit und Beschaulichkeit einer natürlichen Atmosphäre gelebt hatte, jemals begreifen, wie stark einerseits und wie zerbrechlich andererseits eine Gesellschaft war, in der sich alles darum drehte, das zu tun, was getan werden musste, wo man jederzeit schnell und flexibel handeln musste, genau wie es die AAP getan hatte. Wo es lebenswichtig war, sich Gehör zu verschaffen.
Falls Fred keinen Friedensvertrag auszuhandeln vermochte, konnte die AAP sich nicht gegen die disziplinierte Marine der inneren Planeten behaupten. Andererseits würde sie niemals endgültig verlieren. Ein Krieg ohne Ende.
Nun ja, was war die Geschichte schon, wenn nicht genau dies?
Und konnte man daran etwas ändern, indem man die Sterne gewann?
Als er zu seiner Wohnung zurückkehrte, öffnete er auf dem Handterminal einen Kanal. Fred Johnson tauchte auf. Er schien müde, aber wachsam.
»Miller«, sagte er.
»Wir sind bereit zum Auslaufen, sobald die Sprengsätze installiert sind.«
»Wir laden sie gerade ein«, erklärte Fred. »Genug Spaltmaterial, um auf Jahre hinaus jeden von der Oberfläche von Eros fernzuhalten. Aber gehen Sie vorsichtig damit um. Wenn einer unserer Jungs an der falschen Stelle herumhängt und eine raucht, können wir die Minen nicht mehr rechtzeitig ersetzen.«
Er hatte nicht gesagt: Dann seid ihr alle tot. Die Waffen waren kostbar, nicht die Leute.
»Ja, ich passe darauf auf«, versprach Miller ihm.
»Die Rosinante ist bereits unterwegs.«
Das war nichts, was Miller unbedingt wissen musste, also gab es einen anderen Grund für diese Bemerkung. Trotz des bewusst neutralen Tonfalls klang es aus Freds Mund wie ein Vorwurf. Die einzige kontrollierte Probe des Protomoleküls hatte Freds Einflusssphäre verlassen.
»Wir brechen rechtzeitig auf, um sie zu treffen und jeden davon abzuhalten, sich Eros zu nähern«, erklärte Miller. »Das dürfte kein Problem sein.«
Auf dem winzigen Bildschirm war schwer zu erkennen, ob Freds Lächeln von Herzen kam.
»Ich hoffe, Ihre Freunde schaffen das«, sagte er.
Miller hatte ein seltsames Gefühl. Eine kleine Leere direkt unter dem Brustbein.
»Sie sind nicht meine Freunde«, antwortete er so gleichmütig wie möglich.
»Nein?«
»Eigentlich habe ich überhaupt keine Freunde. Es ist eher so, dass es eine Reihe von Leuten gibt, mit denen ich mal zusammengearbeitet habe«, erklärte er.
»Sie scheinen fest an Holden zu glauben.« Es klang fast wie eine Frage, vielleicht auch wie eine Herausforderung. Miller lächelte und wusste dabei, dass es nun an Fred war, sich zu fragen, ob die Miene echt war.
»Das ist kein Glaube, sondern es beruht auf Überzeugung.«
Fred lachte humorlos.
»Genau deshalb haben Sie keine Freunde, mein Freund.«
»Kann gut sein«, gab Miller zu.
Weiter gab es nichts zu
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