Leviathan erwacht - Corey, J: Leviathan erwacht - Leviathan Wakes (The Expanse Series Book 1)
und legte ebenfalls die Gurte an. Sie sah ihn fragend an – werden wir jetzt doch noch sterben? –, sagte aber nichts. Sie wartete auf seine Aufforderung. Er bewunderte sie und war zugleich ein wenig gereizt. Gleich darauf fand er in den Logs, was er gesucht hatte.
»Wir hatten Funkkontakt mit Miller, nachdem Eros vom Radarschirm verschwunden ist. Trifft das zu?«
»Das ist richtig«, bestätigte sie. »Aber sein Anzugsender ist nicht stark genug, um über eine so große Entfernung durch die Felswände von Eros zu senden. Deshalb benutzt er eins der angedockten Schiffe als Verstärker.«
»Das bedeutet also, dass die Vorrichtung, die Eros für das Radar unsichtbar macht, die Funkwellen nicht stört.«
»So scheint es zu sein.« Naomi wurde neugierig.
»Du hast doch noch die Kontrollcodes für die fünf AAP-Frachter, die dort festgemacht haben, oder?«
»Ja«, bestätigte sie. Und dann: »Verdammt!«
»Genau.« Holden drehte sich grinsend zu Naomi herum. »Warum haben die Rosinante und alle anderen Marineeinheiten im Sonnensystem einen Schalter, um die Transponder abzuschalten?«
»Damit die Feinde nicht die Raketen auf das Transpondersignal ausrichten und sie in die Luft jagen können.« Auch sie grinste jetzt.
Holden drehte sich wieder zurück und öffnete eine Verbindung zur Tycho-Station.
»XO, könntest du Millers Kontrollcodes benutzen, um die fünf Frachter anzufunken und die Transponder einzuschalten? Solange unser Besucher auf Eros nicht schneller als die Funkwellen fliegt, müssen wir ihm nicht mehr hinterherhetzen.«
»In Ordnung, Käpt’n«, erwiderte Naomi. Obwohl er in die andere Richtung blickte, konnte er hören, dass sie lächelte. Das Eis in seinem Bauch schmolz. Sie hatten einen Plan. Sie konnten noch etwas erreichen.
»Die Ravi ruft uns«, sagte Naomi. »Willst du den Ruf annehmen, ehe ich die Transponder einschalte?«
»Ja, unbedingt.«
Es klickte.
»Kapitän Holden, wir haben neue Befehle erhalten. Anscheinend sollen wir die Jagd noch etwas fortsetzen.«
McBrides Stimme klang stoisch, als hätte man ihr gerade das Todesurteil vorgelesen.
»Sie sollten noch ein paar Minuten warten«, erwiderte Holden. »Wir haben eine Alternative.«
Während Naomi die Transponder der fünf AAP-Frachter aktivierte, die unter Millers Aufsicht auf der Oberfläche von Eros festgemacht hatten, erklärte Holden McBride, was sie gerade taten. Dann unterrichtete er Fred. Er und das Marinekommando der UN stimmten ihm begeistert zu, weil die fünf Frachter inzwischen die Transpondersignale abstrahlten und dem ganzen Sonnensystem mitteilten, wo sie waren. Eine Stunde später war der größte Schwarm interplanetarer Nuklearraketen in der Geschichte der Menschheit abgefeuert und flog in Richtung Eros.
Wir werden siegen, dachte Holden, als er die Raketen beobachtete, die wie ein Schwarm zorniger roter Punkte auf dem Gefechtsdisplay durch den Weltraum zogen. Wir werden dieses Biest besiegen. Noch wichtiger war, dass seine Crew überleben würde. Niemand musste mehr sterben.
Abgesehen von …
»Miller ruft uns«, sagte Naomi. »Anscheinend hat er bemerkt, dass wir seine Schiffe aktiviert haben.«
Holden hatte ein ungutes Gefühl im Bauch. Miller würde noch auf Eros sein, wenn die Raketen einschlugen. Nicht alle würden den bevorstehenden Sieg feiern können.
»Hallo, Miller. Wie geht’s denn so?« Er schaffte es nicht, völlig unbefangen zu sprechen.
Millers Antwort kam abgehackt, teilweise vom Rauschen übertönt, aber deutlich genug. Holden erfasste den Tonfall und verstand sofort, dass ihre Siegesfeier im Eimer war.
»Holden«, sagte Miller. »Wir haben ein Problem.«
52 Miller
Eins. Zwei. Drei.
Miller drückte auf das Handterminal, um den Auslöser zurückzusetzen. Die Doppeltür vor ihm war einst von Tausenden lautloser Mechanismen gesteuert worden und hatte sich zuverlässig viele Jahre lang auf ihren Magnetschienen bewegt. Jetzt wuchsen dort schwarze Tentakel mit einer rissigen Oberfläche wie Baumrinde und verformten das Metall. Dahinter befanden sich die Korridore des Hafens, die Lagerhäuser und das Casino. Alles, was früher die Eros-Station ausgemacht hatte und jetzt die Vorhut einer invasiven außerirdischen Intelligenz darstellte. Um sie zu erreichen, musste Miller die verklemmten Türflügel aufhebeln. In weniger als fünf Sekunden. Während er in einem Raumanzug steckte.
Er legte das Handterminal weg und packte den schmalen Spalt, wo die beiden Türen aufeinandertrafen. Eins.
Weitere Kostenlose Bücher