Leviathan erwacht - Corey, J: Leviathan erwacht - Leviathan Wakes (The Expanse Series Book 1)
Gürtler-Musik, leise Glocken, die von Zithern und Gitarren begleitet wurden, die Texte waren in einem halben Dutzend Sprachen verfasst. Er hatte inzwischen das vierte Bier vor sich, seine Schicht war schon vor zwei Stunden zu Ende gegangen, und er war drauf und dran, sein Vorhaben als Fehlschlag zu verbuchen, da ließ sich ein großer dünner Mann neben ihm an der Bar nieder. Aknenarben verunstalteten ein Gesicht, das eigentlich ständig dem Lachen nahe schien. Es war nicht das erste AAP-Armband, das Miller an diesem Abend sah, doch dieses Exemplar wurde mit Trotz und Selbstbewusstsein getragen. Der Detective nickte.
»Wie ich hörte, haben Sie sich nach der AAP erkundigt«, sagte der Mann. »Wollen Sie beitreten?«
Miller lächelte und hob das Glas, eine bewusst neutrale Geste.
»Sind Sie derjenige, mit dem ich reden müsste, wenn ich es wollte?«, fragte er leichthin.
»Möglicherweise könnte ich Ihnen helfen.«
»Vielleicht könnten Sie mir dann ein paar Dinge erklären.« Er zückte sein Terminal und legte es mit hörbarem Klicken auf die Bambusimitation der Bar. Mateo Judds Bild schaute aus dem Bildschirm heraus. Der AAP-Mann runzelte die Stirn und drehte das Gerät zu sich herum, um es besser sehen zu können.
»Ich bin Realist«, fuhr Miller fort. »Als Chucky Snails Schutzgelder erpresst hat, hatte ich keine Probleme, mit ihm zu reden. Als die Hand und danach die Golden Bough Society übernommen haben, hielt ich es genauso. Es ist nicht meine Aufgabe, die Leute davon abzubringen, die Regeln großzügig auszulegen. Meine Aufgabe besteht darin, auf Ceres für Stabilität zu sorgen. Verstehen Sie, was ich damit sagen will?«
»Ich habe keine Ahnung, was Sie meinen«, erwiderte der Pockennarbige. Der Aussprache nach war er gebildeter, als Miller es anfangs vermutet hatte. »Wer ist dieser Kerl?«
»Er heißt Mateo Judd und treibt in Sektor Acht Schutzgelder ein. Angeblich steckt die AAP dahinter.«
»Die Leute erzählen viel, Detective. Sie sind doch Detective, oder? Aber Sie haben sich einen Realisten genannt.«
»Wenn die AAP das organisierte Verbrechen auf Ceres angreifen will, ist es besser, wir reden miteinander. Kommunikation.«
Der Mann kicherte und schob das Terminal weg. Der Barkeeper eilte herbei, und in seinen Augen lag eine Frage, die sich nicht darum drehte, ob sie noch etwas trinken wollten. Er wandte sich auch nicht an Miller.
»Ich habe gehört, dass es bei Star Helix ein gewisses Maß an Korruption gibt«, fuhr der Mann fort. »Ich muss zugeben, dass mich Ihre offene Art beeindruckt. Lassen Sie mich eines klarstellen. Die AAP ist keine kriminelle Organisation.«
»Wirklich nicht? Dann habe ich mich wohl geirrt. Ich dachte, nachdem sie eine Menge Leute getötet hat …«
»Sie wollen mich provozieren. Wir verteidigen uns nur gegen Leute, die wirtschaftlichen Terrorismus gegen den Gürtel betreiben. Erder, Marsianer. Wir legen Wert darauf, die Gürtler zu beschützen«, sagte der Mann. »Sogar Sie, Detective.«
»Wirtschaftlicher Terrorismus?«, antwortete Miller. »Das scheint mir jetzt aber ein bisschen übertrieben.«
»Wirklich? Die inneren Planeten betrachten uns als billige Arbeitskräfte in einer Kolonie. Sie erlegen uns Steuern auf und sagen uns, was wir tun sollen. Im Namen der Stabilität drücken sie ihre Gesetze durch und ignorieren die unseren. Im letzten Jahr haben sie auf Titania den Zoll verdoppelt. Fünftausend Menschen auf einer Eiskugel, die Uranus umkreist, Monate von jedem anderen Ort entfernt. Für sie ist die Sonne nur ein heller Stern. Glauben Sie, die Leute dort sind in einer Position, eine gerechte Behandlung zu verlangen? Man hindert die Frachter der Gürtler daran, Kontrakte auf Europa zu übernehmen. Sie berechnen uns die doppelten Gebühren, wenn wir auf Ganymed anlegen. Dann die wissenschaftliche Station auf Phoebe – da dürfen wir nicht einmal in den Orbit einschwenken. Dort gibt es nirgends einen Gürtler. Was sie da auch tun, wir werden es erst erfahren, wenn sie uns in zehn Jahren die dort entwickelte Technologie verkaufen.«
Miller trank einen Schluck Bier und nickte in die Richtung seines Terminals.
»Also gehört der da nicht zu Ihnen?«
»Nein, sicher nicht.«
Miller nickte und steckte das Terminal in die Tasche. So seltsam es war, er glaubte dem Mann. Der Kerl benahm sich nicht wie ein Gangster, die übliche Großspurigkeit fehlte ihm, dieses Bedürfnis, die ganze Welt zu beeindrucken. Nein, dieser Mann war selbstsicher und belustigt
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