Leviathan erwacht - Corey, J: Leviathan erwacht - Leviathan Wakes (The Expanse Series Book 1)
Beschluss geben wir keine Informationen über unsere Schüler heraus«, sagte er. »So sieht unsere Geschäftspolitik aus.«
»Das respektiere ich«, lenkte Miller ein. »Ganz ehrlich. Es ist nur so, dass … gewisse Teile dieser Ermittlung sind möglicherweise sogar noch etwas offizieller als die anderen. Das Mädchen hat nichts zu befürchten, es hat nichts verbrochen. Aber sie hat Angehörige auf Luna, die sie finden wollen.«
»Also ein Entführungsauftrag.« Blitzschnell und ohne erkennbare Bewegung war das freundliche Gesicht abweisend geworden.
»Das ist der offizielle Teil«, bestätigte Miller. »Ich kann mir einen Beschluss besorgen, und dann läuft die Sache über offizielle Kanäle. Das müsste ich aber meiner Vorgesetzten erzählen, und je mehr sie weiß, desto weniger Spielraum habe ich.«
Der Mann reagierte nicht. Seine Ruhe war nervtötend. Miller musste sich bemühen, um nicht herumzuzappeln. Die Frau, die hinten im Studio den schweren Sack bearbeitete, ließ eine Serie schneller Schläge los und stieß bei jedem einen Schrei aus.
»Um wen geht es?«, fragte der Mann.
»Julie Mao«, sagte Miller. Der Reaktion des Trainers nach hätte er auch sagen können, dass er die Mutter Buddhas suchte. »Ich glaube, ihr könnte etwas zustoßen.«
»Was kümmert es Sie?«
»Das weiß ich selbst nicht so genau«, gab Miller zu. »Aus irgendeinem Grund ist es mir wichtig. Wenn Sie mir nicht helfen wollen, dann lassen Sie es eben.«
»Und Sie besorgen sich Ihren Beschluss. Machen Sie es offiziell.«
Miller nahm den Hut ab und fuhr sich mit der langen schmalen Hand über den Kopf, dann setzte er ihn wieder auf.
»Wahrscheinlich nicht«, sagte er.
»Zeigen Sie mir mal Ihren Ausweis.« Miller zückte sein Terminal, damit sich der Mann von seiner Identität überzeugen konnte. Der Trainer gab ihm das Gerät zurück und deutete auf eine kleine Tür hinter den schweren Säcken. Miller folgte dem Hinweis.
Das Büro war überfüllt. Ein kleiner laminierter Schreibtisch mit einer weichen Kugel anstelle des Stuhls. Zwei Hocker, die aussahen, als stammten sie aus einer Bar. Ein Aktenschrank mit einer kleinen Stanzmaschine, die nach Ozon und Öl stank. Wahrscheinlich wurden dort die Plaketten und Urkunden hergestellt.
»Warum will die Familie sie zurückhaben?« Der Mann ließ sich auf der Kugel nieder. Sie diente ihm zwar als Sitz, doch er musste ständig aufpassen, nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Eine Möglichkeit, sich auszuruhen, ohne wirklich zur Ruhe zu kommen.
»Sie fürchten, ihr könne etwas zustoßen. Das sagen sie jedenfalls, und ich habe bisher keinen Grund, ihnen nicht zu glauben.«
»Was könnte ihr schon passieren?«
»Das weiß ich nicht«, räumte Miller ein. »Ich weiß nur, dass sie hier war und nach Tycho gereist ist, aber danach finde ich rein gar nichts mehr.«
»Will die Familie sie auf ihre Station zurückholen?«
Der Mann wusste, wer sie war. Miller archivierte die Information, ohne auch nur mit einer Wimper zu zucken.
»Ich glaube nicht«, erwiderte der Polizist. »Die letzte Botschaft von ihnen lief über Luna.«
»In der Schwerkraftsenke.« Der Mann sprach es aus, als sei es eine grässliche Krankheit.
»Ich suche nach Leuten, die wissen könnten, mit wem Julie abgereist ist. Falls sie irgendwo angeheuert hat, will ich wissen, wohin sie fliegt und wann sie dort eintreffen soll. Und ob sie sich in Reichweite eines Richtstrahls befindet.«
»Darüber weiß ich nichts«, erwiderte der Mann.
»Kennen Sie denn jemanden, den ich fragen könnte?«
Es gab eine Pause.
»Vielleicht. Ich werde sehen, was ich für Sie tun kann.«
»Können Sie mir etwas über das Mädchen erzählen?«
»Sie hat vor fünf Jahren hier begonnen. Zuerst war sie … wütend. Undiszipliniert.«
»Sie ist rasch besser geworden«, ergänzte Miller. »Brauner Gürtel, richtig?«
Der Mann zog die Augenbrauen hoch.
»Ich bin Cop«, erklärte Miller. »Es ist mein Job, Dinge herauszufinden.«
»Sie ist besser geworden«, bestätigte der Lehrer. »Kurz nach ihrer Ankunft im Gürtel wurde sie angegriffen und sorgte dafür, dass es nicht noch einmal passieren konnte.«
»Angegriffen.« Miller überlegte, was der Mann gemeint haben könnte. »Vergewaltigt?«
»Ich habe sie nicht gefragt. Sie hat hart trainiert, selbst wenn sie nicht auf der Station war. Man sieht es, wenn die Leute es schleifen lassen. Sie kehren schwächer zurück. Das hat sie nie getan.«
»Ein zähes Mädchen«, sagte Miller. »Gut
Weitere Kostenlose Bücher