Lewis CS - Narnia 3
werden, muß man das Nest bauen, wie wir Vögel sagen. Das heißt, daß wir essen und uns sofort an die Arbeit machen sollten.“
Nach diesen Worten erhoben sie sich, die Türen wurden geöffnet, und alle traten zur Seite, um dem König und der Königin den Vortritt zu lassen. Shasta wußte nicht, was er tun sollte, aber Tumnus sagte zu ihm: „Bleibt hier liegen, Hoheit, und ich werde Euch in ein paar Minuten einen kleinen Schmaus bringen. Ihr braucht Euch nicht zu rühren, bevor wir uns einschiffen.“ Shasta legte den Kopf wieder auf die Kissen zurück, und schon bald war er allein.
Das ist ja schrecklich, dachte Shasta. Er war keinen einzigen Augenblick lang auf die Idee gekommen, diesen Narnianen die Wahrheit zu sagen und sie um Hilfe zu bitten. Da er von einem hartherzigen, geizigen Mann wie Arashin aufgezogen worden war, war es ihm zu einer festen Angewohnheit geworden, den Erwachsenen - wenn irgend möglich - nichts zu erzählen. Und er dachte sich, daß der König ja vielleicht zu den beiden Pferden freundlich sein würde, weil es sich um sprechende Tiere aus Narnia handelte, wohingegen er Aravis sicher hassen würde, weil sie Kalormenin war. Vielleicht verkaufte er sie als Sklavin oder schickte sie zu ihrem Vater zurück. Was ihn selbst betraf, so dachte er: Jetzt kann ich ihnen auf keinen Fall mehr sagen, daß ich nicht Prinz Corin bin. Ich habe alle ihre Pläne mitgehört. Wenn sie erfahren, daß ich nicht zu ihnen gehöre, lassen sie mich nie mehr lebendig aus diesem Haus hinaus, weil sie fürchten, ich würde sie an den Tisroc verraten. Dann bringen sie mich um. Und wenn der richtige Corin auftaucht, kommt alles ans Tageslicht. Und dann bringen sie mich sowieso um!
Was soll ich nur tun? Was soll ich nur tun? fragte er sich unentwegt. Was … ach, da kommt das kleine ziegenartige Vieh wieder.
Der Faun kam mit einem Tablett in den Händen tänzelnd hereingetrottet. Er stellte es auf einen mit Einlegearbeiten verzierten Tisch neben Shastas Sofa und setzte sich mit gekreuzten Ziegenbeinen daneben auf den Teppich.
„So, kleiner Prinz“, sagte er. „Nehmt ein herzhaftes Mahl ein. Es wird Euer letztes sein in Tashbaan.“
Für ein kalormenisches Mahl war es wirklich ausgezeichnet. Shasta schmeckte es jedenfalls vorzüglich. Da gab es Hummer und Salat, mit Mandeln und Trüffeln gefülltes Wildbret und ein köstliches Gericht aus Hühnerleber, Reis, Rosinen und Nüssen. Des weiteren waren da kühle Melonen, Stachelbeerpudding und verschiedene Sorten Eiscreme. Und eine kleine Karaffe mit Wein.
Während Shasta aß, redete der kleine Faun, der dachte, Shasta sei noch immer von seinem Sonnenstich umnebelt, ununterbrochen über die schöne Zeit, die ihm bevorstand, wenn sie alle nach Hause zurückkehrten. Er redete über Prinz Corins guten alten Vater, König Lune von Archenland, und das kleine Schloß, in dem er diesseits des Passes an den südlichen Hängen des Gebirgszuges lebte. „Und vergeßt nicht“, sagte Tumnus, „daß Ihr zu Eurem nächsten Geburtstag Eure erste Rüstung und Euer erstes Streitpferd bekommt. Und dann werdet Ihr den berittenen Zweikampf mit der Lanze lernen. König Peter hat Eurem königlichen Vater versprochen, Euch - wenn nichts dazwischenkommt - in Feeneden höchstpersönlich zum Ritter zu schlagen. In der Zwischenzeit werden zwischen Narnia und Archenland über die Berge hinweg viele Besuche ausgetauscht. Hoffentlich habt Ihr Euer Versprechen nicht vergessen, beim Sommerfest eine Woche bei mir zu verbringen. Dann entzünden wir Freudenfeuer, und die Faune und die Dryaden werden ganze Nächte hindurch im tiefsten Wald tanzen, und - wer weiß - vielleicht sehen wir sogar Aslan selbst!“
Als das Mahl vorüber war, befahl der Faun, Shasta solle ruhig liegenbleiben. „Es könnte Euch auch nicht schaden, ein wenig zu schlafen“, fügte er hinzu. „Ich werde Euch frühzeitig wecken, bevor wir an Bord gehen. Und dann geht es in die Heimat. Auf nach Narnia und in den Norden!“
Nun da Shasta mit sich und seinen Gedanken allein war, hoffte er inständig, der richtige Prinz Corin möge nicht auftauchen und man möge statt dessen ihn mit dem Schiff nach Narnia mitnehmen. Ein kleines bißchen Sorgen machte er sich zwar um Aravis und Bree, die bei den Gräbern auf ihn warteten. Aber dann sagte er sich: Nun, was kann ich daran schon ändern? Und: Sowieso ist sich Aravis zu gut, um mit mir zusammen zu reisen, also kann sie von mir aus allein gehen. Gleichzeitig konnte er nicht umhin zu denken,
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