Lewis CS - Narnia 3
irgend
jemand müsse irgend jemand anders Nachricht geben, damit
irgend etwas unternommen werde.
Und so ging es weiter. Alle paar Minuten erschien ein
anderes Lebewesen. Manche tauchten aus den Zweigen
über Shastas Kopf auf, andere aus kleinen unterirdischen
Wohnstätten zu seinen Füßen, bis schließlich fünf Kaninchen,
ein Eichhörnchen, zwei Elstern, ein ziegenfüßiger Faun
und eine Maus beieinanderstanden. Alle redeten durcheinander,
und alle stimmten sie dem Igel zu. Denn in Wahrheit fühlten
sich die kleinen Waldbewohner Narnias jetzt, im Goldenen
Zeitalter, wo der Winter und die Hexe verschwunden waren
und wo Peter der Prächtige in Feeneden regierte, so sicher, und sie waren so glücklich, daß sie ein wenig unvorsichtig
geworden waren.
Doch bald darauf kamen zwei Wesen an, die etwas praktischer
veranlagt waren. Das eine war ein Zwerg, der Duffel genannt
wurde. Das andere war ein Hirsch, ein wunderschönes,
königliches Wesen mit großen klaren Augen, gefleckten
Flanken und mit Beinen, so dünn und so anmutig, daß sie
aussahen, als könne man sie mit zwei Fingern zerbrechen. „Allmächtiger Gott!“ brüllte der Zwerg, als er die neuesten Nachrichten erfahren hatte. „Wenn das so ist, warum
stehen wir dann alle hier herum und halten Reden? Feinde
in Anvard? Wir müssen sofort Nachricht nach Feeneden
schicken. Das Heer muß einberufen werden. Narnia muß
König Lune zu Hilfe kommen.“
„Ah!“ meinte der Igel. „Nur werdet ihr den König nicht
in Feeneden vorfinden. Er ist in den Norden gezogen, um
gegen die Riesen zu kämpfen. Und wo wir gerade bei den
Riesen sind, da fällt mir ein …“
„Wer überbringt die Nachricht?“ unterbrach der Zwerg.
„Ist hier einer, der schneller rennen kann als ich?“ „Ja, ich“, antwortete der Hirsch. „Was soll ich ausrichten?
Wie viele Kalormenen sind es?“
„Zweihundert, angeführt von Prinz Rabadash. Und …“
Aber der Hirsch war schon unterwegs. Seine Beine schienen
kaum den Boden zu berühren.
„Wo er wohl hinrennt?“ fragte ein Kaninchen. „Den König
wird er in Feeneden nicht antreffen.“
„Aber Königin Lucy“, sagte Duffel. „Und außerdem
oje! Was ist denn mit dem Jungen los? Er sieht ganz grün
aus! Oh, ich glaube, er bricht gleich zusammen. Vielleicht
hat er Hunger. Wann hast du das letzte Mal gegessen, Junge?“ „Gestern früh“, antwortete Shasta mit schwacher Stimme. „Dann komm, rasch“, sagte der Zwerg und legte seine
dicken Ärmchen um Shastas Taille, um ihn zu stützen. „Wir
sollten uns alle schämen, Nachbarn! Du kommst mit mir,
Bursche. Frühstücken! Das ist besser für dich als dieses
Gerede.“
Geschäftig führte der Zwerg Shasta bergab und weiter
in den Wald hinein. Der Marsch war länger, als es Shasta
im Augenblick lieb war, und seine Beine waren ganz zittrig,
als sie schließlich aus dem Wald und auf einen freien Hang
hinaustraten. Dort stand ein kleines Haus mit rauchendem
Kamin und offener Tür. An der Tür angekommen, rief
Duffel: „Hallo, Brüder! Ein Gast zum Frühstück!“ Ein Zischen drang an Shastas Ohr und ein überaus köstlicher Duft in seine Nase. Ein Duft, wie er ihn nie zuvor
gerochen hatte. Es war der Duft nach in der Pfanne brutzelndem Speck mit Eiern und Pilzen.
„Paß auf, dein Kopf!“ sagte Duffel; eine Sekunde zu spät,
denn Shasta hatte sich soeben an dem niedrigen Türbalken den
Kopf angestoßen. „So“, fuhr der Zwerg fort, „setz dich. Der
Tisch ist ein wenig zu niedrig für dich, aber der Stuhl ist ja
auch niedrig. So ist’s recht. Und da ist Hafergrütze - hier ist
ein Krug mit Sahne - und da ist ein Löffel.“
Als Shasta seinen Haferbrei aufgegessen hatte, stellten
die beiden Brüder des Zwergs - sie hießen Rogin und Daumendünn - die Speckeier mit den Pilzen auf den Tisch. Außerdem
brachten sie noch heißen Kaffee, heiße Milch und geröstetes
Brot.
Für Shasta waren dies ganz ungewohnte Köstlichkeiten.
Auch das Haus unterschied sich gründlich sowohl von der
dunklen, muffigen, nach Fisch stinkenden Hütte Arashins
als auch von den mit Teppichen ausgelegten Säulenhallen
in Tashbaan. Die Decke hier im Zwergenhäuschen war
sehr niedrig, alles war aus Holz gemacht. Da gab es eine Kuckucksuhr, ein rot-weiß kariertes Tischtuch, einen Strauß mit Wiesenblumen, und vor den Fenstern mit den dicken
Glasscheiben hingen kleine weiße Vorhänge.
Es war sehr umständlich, Zwergentassen, Zwergenteller,
Zwergenmesser und Zwergengabeln zu benutzen, denn so
konnte Shasta nur in winzigen
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