Lewis CS - Narnia 3
Corin zeigte es ihm. Nebenbei erzählte er von ihrer Flucht aus Tashbaan.
„Und wo ist Königin Suse?“
„In Feeneden“, antwortete Corin. „Sie ist nicht wie Lucy, die so tapfer und stark ist wie ein Mann - oder zumindest wie ein Junge. Königin Suse ist eben eine richtige Dame …“
Der Bergpfad, den sie eingeschlagen hatten, wurde immer schmäler und der Abhang zu ihrer Rechten immer steiler. Schließlich mußten sie im Gänsemarsch am Rand des Abgrunds entlangreiten, und Shasta schüttelte es, wenn er daran dachte, daß er in der vergangenen Nacht ganz allein hier geritten war. „Aber mir drohte natürlich keine Gefahr, denn zwischen mir und dem Abgrund ging ja der Löwe.“ Nun schwenkte der Pfad nach links, in Richtung Süden, weg von den Felsen. Zu beiden Seiten stand jetzt dichter Wald. Es ging steil aufwärts auf den Paß zu. Wäre die Bergspitze nicht so dicht bewaldet gewesen, hätte man von dort oben eine prächtige Sicht gehabt. Aber so sah man - abgesehen von ein paar über die Baumwipfel hinausragenden Felsen und einem oder zwei hoch in den blauen Lüften schwebenden Adlern - gar nichts.
Als sie den Paß überwunden hatten und ein Stück bergab gegangen waren, kamen sie auf eine freie Anhöhe. Von hier aus sah Shasta ganz Archenland, das sich blau und dunstig unter ihm erstreckte. Er vermeinte sogar, ein klein wenig von der Wüste dahinter zu entdecken. Aber es waren nur noch zwei Stunden bis Sonnenuntergang, die tiefstehende Sonne schien Shasta direkt in die Augen, und so sah er nicht besonders gut.
Jetzt hielten alle an. Sie stellten sich in einer Reihe auf und gruppierten sich um. Eine ganze Gruppe von sehr gefährlich aussehenden, vorwiegend katzenartigen sprechenden Tieren wie Leoparden, Panther und so weiter, die Shasta bisher nicht gesehen hatte, tapste fauchend nach links und stellte sich dort auf. Die Riesen wurden nach rechts geschickt. Doch bevor sie sich an den ihnen zugewiesenen Platz stellten, nahmen sie etwas vom Rücken und setzten sich einen Augenblick lang auf die Erde. Erst jetzt sah Shasta, was sie da getragen hatten und jetzt anzogen: es waren ganz fürchterlich große, schwere und mit Eisen beschlagene Stiefel, die ihnen bis zu den Knien reichten. Nun legten sie sich ihre riesigen Knüppel über die Schultern und nahmen ihre Schlachtposition ein. Die Bogenschützen, unter ihnen Königin Lucy, stellten sich am Ende des Zuges auf. Shasta sah, wie die Königin prüfend ihren Bogen spannte, und dann machte es twing-twing, als alle die Bogensehnen ausprobierten. Jetzt stecke ich mittendrin
- jetzt stecke ich wirklich und wahrhaftig mittendrin, dachte Shasta.
Aus der Ferne hörte man das Geschrei vieler Männer und ein gleichmäßiges Bumm-bumm-bumm.
„Ein Rammbock“, flüsterte Corin. „Sie versuchen das Tor gewaltsam zu öffnen.“
Selbst Corin sah jetzt sehr ernst aus. „Wenn König Edmund doch bloß endlich den Befehl zum Aufbruch geben wollte!“ beklagte er sich. „Ich kann diese Warterei nicht vertragen. Kalt ist es auch.“
Shasta nickte. Er hoffte, daß man ihm nicht ansah, welche Angst er hatte.
Endlich erklang das Trompetensignal! Alle setzten sich in Bewegung. Vor ihnen flatterte das Banner im Wind. Kurz darauf standen sie auf der Spitze einer kleinen Anhöhe, und nun hatten sie auch klare Sicht. Vor ihnen lag das kleine, mit unzähligen Türmchen geschmückte Schloß. Schloßgraben gab es bedauerlicherwese keinen, aber das Tor war geschlossen, und die Fallgitter waren heruntergelassen. Vor dem Schloß standen ungefähr fünfzig Kalormenen und bearbeiteten mit einem riesigen Baumstamm das Tor. Doch plötzlich veränderte sich das Bild. Ein Großteil der Kalormenen hatte sich zu Fuß für einen Angriff auf das Schloßtor bereitgehalten. Nun sahen sie, wie die Narnianen den Hang herunterstürmten. Es gab keinen Zweifel, daß die kalormenischen Krieger eine ausgezeichnete Ausbildung genossen, denn schon eine Sekunde später saßen viele von ihnen wieder im Sattel, wirbelten herum und stürmten den Narnianen entgegen.
Auch die Narnianen fielen in Galopp. Der Abstand zwischen den bei den Heeren verringerte sich zusehends. Schneller, schneller. Alle Schwerter waren gezückt, alle Schilde bis zur Nase hochgezogen, alle Gebete waren gesprochen, und jeder biß die Zähne zusammen. Shasta fürchtete sich schrecklich. Doch dann kam ihm plötzlich der Gedanke: Wenn ich diesmal kneife, werde ich mein ganzes Leben lang kneifen. Jetzt oder nie.
Aber als sich die beiden Linien
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