Lewis, CS - Narnia 5
erklärte er lediglich, er hätte dies von seinem Vater gehört.
Bern konnte ihnen nur sagen, daß er seine Freunde nach Osten hatte segeln sehen und daß man nie mehr etwas von ihnen gehört hatte. Dies sagte er, als er und Kaspian auf dem höchsten Punkt von Avra standen und auf das Meer im Osten hinabblickten. »Ich habe manchen Morgen hier gestanden«, sagte der Herzog, »und die Sonne aus dem Meer aufsteigen sehen, und manchmal sah es so aus, als wäre es nur ein paar Meilen von hier. Und ich habe mich gefragt, was aus meinen Freunden geworden ist und was wohl in Wirklichkeit hinter diesem Horizont liegt. Nichts, vermutlich, und doch bin ich immer ein wenig beschämt, weil ich zurückgeblieben bin. Aber ich wollte, Eure Majestät würde dableiben. Es wäre möglich, daß wir hier Eure Hilfe brauchen. Das Schließen des Sklavenmarktes eröffnet vielleicht neue Welten; aber ich befürchte einen Krieg mit Kalormen. Mein Herrscher, überdenkt es noch einmal!«
»Ich habe einen Eid geschworen, mein Herzog«, sagte Kaspian. »Und außerdem– wie sollte ich es wohl Riepischiep erklären?«
Der Sturm und seine Folgen
Fast drei Wochen waren seit ihrer Landung vergangen, als die »Morgenröte« aus dem Hafen von Enghafen geschleppt wurde. Man hatte feierliche Abschiedsworte getauscht, und eine große Menschenmenge hatte sich versammelt, um ihrer Abfahrt zuzusehen. Jubel war erklungen, und Tränen waren geflossen, als Kaspian seine letzte Rede vor den Bewohnern der Einsamen Inseln gehalten und sich vom Herzog und seiner Familie verabschiedet hatte. Aber als das Schiff, dessen lilafarbenes Segel noch untätig flatterte, sich weiter von der Küste entfernte und der Klang von Kaspians Trompete vom Achterdeck her übers Wasser schwächer wurde, da verstummte alles. Dann kam die »Morgenröte« vor den Wind. Das Segel blähte sich, das Schleppboot löste sich und begann zurückzurudern, die erste richtige Welle schob sich unter den Bug der »Morgenröte« und sie erwachte wieder zum Leben. Die dienstfreien Männer gingen nach unten, Drinian übernahm die erste Wache auf dem Achterdeck, und das Schiff wandte sich an der südlichen Spitze von Avra nach Osten.
Die folgenden Tage waren herrlich. Lucy hielt sich für das glücklichste Mädchen der Welt. Jeden Morgen erwachte sie, sah die Spiegelungen des sonnenbeschienenen Wassers an der Decke ihrer Kajüte tanzen und betrachtete all die schönen neuen Dinge, die sie auf den Einsamen Inseln geschenkt bekommen hatte–Seestiefel und Halbstiefel und Wämser und Tücher. Dann ging sie hinauf und blickte vom Vorderdeck auf ein Meer, dessen Blau jeden Tag strahlender wurde. Und sie atmete eine Luft, die jeden Tag wärmer wurde. Danach wurde mit einem Appetit gefrühstückt, wie man ihn nur auf See haben kann.
Lucy verbrachte einen Großteil ihrer Zeit damit, auf der kleinen Bank im Heck zu sitzen und mit Riepischiep Schach zu spielen. Es war lustig, ihm dabei zuzuschauen, wie er mit beiden Pfoten die Figuren anhob, die viel zu groß waren für ihn, und wie er auf den Zehenspitzen stand, wenn er einen Zug in der Mitte des Schachbretts machen mußte. Er war ein guter Spieler, und wenn er sich ordentlich auf das Spiel konzentrierte, dann siegte er gewöhnlich. Aber ab und zu gewann Lucy, weil Riepischiep etwas sehr Lächerliches machte. Da schickte er zum Beispiel seinen Springer in diekombinierte Gefahr der Königin und des Turms. Dies geschah, weil er für den Augenblick vergessen hatte, daß es sich um ein Schachspiel handelte, und meinte, es ginge um einen wirklichen Kampf. Dabei ließ er den Springer tun, was er an dessen Stelle selbstverständlich getan hätte. Denn sein Kopf war voll mit aussichtslosen Hoffnungen, mit Angriffen bis zum Tod oder bis zum Sieg und mit bis zuletzt gehaltenen Stellungen.
Aber diese schöne Zeit währte nicht lange. Eines Abends sah Lucy, während sie müßig auf die lange Rinne des Kielwassers hinunterschaute, die das Schiff hinter sich ließ, wie sich im Westen mit erstaunlicher Geschwindigkeit eine mächtige Wolkenwand bildete. Dann riß die Wand auf, und durch die Lücke war ein gelber Sonnenuntergang zu sehen. All die Wellen hinter dem Schiff schienen ungewöhnliche Formen anzunehmen, und das Meer hatte eine graubraune oder gelbliche Farbe, ähnlich der Farbe von schmutzigem Segeltuch. Die Luft wurde kalt. Das Schiff bewegte sich unruhig, so als fühle es hinter sich die Gefahr. Das Segel war abwechselnd schlaff und im nächsten Moment
Weitere Kostenlose Bücher