Lewis, CS - Narnia 5
und setzte sich (gegen den Wind, um nicht von dem rauchigen Atem getroffen zu werden) neben dem Drachenkopf nieder. Dann erklärte Riepischiep, daß das, was mit Eustachius passiert war, ein gutes Beispiel dafür sei, wie sich das Glücksrad dreht, und daß er Eustachius in seinem Haus in Narnia mehr als hundert Beispiele von Kaisern, Königen, Herzogen, Rittern, Poeten, Liebhabern, Astronomen, Philosophen und Zauberern zeigen könnte, die zuerst wohlhabend gewesen und dann in größte Not geraten waren und von denen sich viele wieder erholt und den Rest ihres Lebens in Glück und Zufriedenheit verbracht hatten. (Das Haus, von dem Riepischiep gesprochen hatte, war allerdings kein Haus, sondern ein Loch, und der Drachenkopf, und erst recht der Drachenkörper, hätte niemals hineingepaßt.) Dies war zu jenem Zeitpunkt vielleicht kein allzu großer Trost, aber es war gut gemeint, und Eustachius vergaß es ihm nie.
Aber was natürlich über allen wie eine Wolke hing, war das Problem, was sie mit ihrem Drachen tun sollten, wenn sie bereit waren, weiterzusegeln. Sie bemühten sich, in seinem Beisein nicht darüber zu reden, aber er konnte nichtumhin, Bemerkungen mit anzuhören wie: »Würde er der Länge nach auf eine Seite des Verdecks passen? Wir müßten dann die Vorräte unten auf die andere Seite räumen, um sein Gewicht auszugleichen« oder: »Könnte man ihn hinterherziehen?« oder: »Könnte er es wohl schaffen, im Flug mitzuhalten?« und (das war die häufigste Bemerkung): »Aber wie werden wir ihn füttern?« Dem armen Eustachius wurde immer klarer, daß er seit dem Tag, an dem er an Bord gekommen war, eine große Last gewesen war–und jetzt war es sogar noch schlimmer. Und das fraß sich in sein Herz, so, wie der Armreif sich in sein Vorderbein fraß. Er wußte, daß es nur noch schlimmer wurde, wenn er mit seinen großen Zähnen daran riß, aber ab und zu konnte er sich nicht beherrschen, vor allem in heißen Nächten.
Etwa sechs Tage nach ihrer Landung auf der Dracheninsel wachte Edmund eines Morgens schon früh auf. Die Morgendämmerung war gerade erst angebrochen, und so konnte er zwar die Bäume sehen, die zwischen ihm und der Bucht lagen, aber die Bäume hinter ihm waren noch nicht zu erkennen. Beim Aufwachen vermeinte er, ein Geräusch zu hören, deshalb stützte er sich auf einen Ellbogen und schaute sich um. Plötzlich sah er eine Gestalt, die sich an der dem Meer zugewandten Seite des Waldes bewegte. Sofort kam ihm der Gedanke: Ist es eigentlich sicher, daß es hier auf der Insel keine Eingeborenen gibt? Dann dachte er, es sei vielleicht Kaspian–die Gestalt hatte etwa die richtige Größe–, aber dann fiel ihm ein, daß Kaspian neben ihm schlief und sich nicht bewegt hatte. Edmund vergewisserte sich, daß sein Schwert an seinem Platz war, und erhob sich dann, um der Sache nachzugehen.
Leise schlich er zum Waldrand. Die dunkle Gestalt war noch da. Er sah, daß sie für Kaspian zu klein und für Lucy zu groß war. Sie rannte nicht weg.Edmund zog seinSchwert und wollte den Fremden gerade anrufen, als dieser sich umwandte und leise sagte: »Bist du das, Edmund?«
»Ja. Wer bist du?« antwortete dieser.
»Kennst du mich nicht«, fragte der andere. »Ich bin’s–Eustachius.«
»Meine Güte!« rief Edmund. »Tatsächlich. Mein lieber Freund …«
»Pst«, sagte Eustachius und schwankte, als würde er gleich umfallen.
»Hoppla!« sagte Edmund und hielt ihn fest. »Was ist los? Bist du krank?«
Eustachius schwieg so lange, daß Edmund annahm, er würde ohnmächtig werden. Aber schließlich sagte er: »Es war furchtbar. Du kannst es dir nicht vorstellen … aber jetzt ist alles in Ordnung. Könnten wir irgendwohin gehen und uns unterhalten? Ich möchte noch nicht mit den anderen zusammentreffen.«
»Ja, natürlich«, sagte Edmund. »Wir können uns auf die Felsen da drüben setzen. Ich bin sehr froh, daß du wieder–hm–wieder normal aussiehst. Du mußt eine schlimme Zeit hinter dir haben.«
Sie gingen zu den Felsen und setzten sich. Sie blickten auf die Bucht, während der Himmel heller und heller wurde und die Sterne bis auf einen sehr hellen und tief am Horizont stehenden Stern verschwanden.
»Ich werde dir nicht erzählen, wie ich zu einem–einem Drachen wurde, ehe die anderen dabei sind und ich es ein für alle Male hinter mich bringen kann«, sagte Eustachius. »Übrigens wußte ich nicht einmal, daß ich ein Drache war, bis ich das Wort von euch gehört habe, als ich an jenem
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