Lewis, CS - Narnia 5
eingezogen hat aus Angst vor der Dunkelheit.«
»Aber welchen Nutzen sollte es wohl bringen, in diese Schwärze hineinzurudern?« fragte Drinian.
»Nutzen?« entgegnete Riepischiep. »Nutzen, Kapitän? Wenn Ihr mit Nutzen meint, unseren Bauch oder unsere Taschen zu füllen, dann gestehe ich, daß es gar keinen Nutzen bringt. Soviel ich weiß, haben wir nicht die Segel gesetzt, um nach nützlichen Dingen zu suchen, sondern um der Ehre und der Abenteuer willen. Und dieses Abenteuer ist großartiger als alle, von denen ich je gehört habe, und wenn wir hier umkehren, dann wird unsere Ehre beträchtlich geschmälert.«
Manche Matrosen murmelten etwas vor sich hin, was wie »zum Teufel mit der Ehre« klang, aber Kaspian sagte: »Du bist unmöglich, Riepischiep. Fast wünschte ich, wir hätten dich zu Hause gelassen. Gut! Wenn du es so ausdrückst, dann müssen wir vermutlich weiter. Außer wenn du, Lucy, es lieber nicht möchtest!«
Lucy wollte tatsächlich überhaupt nicht, aber laut sagte sie: »Ich mache mit.«
»Eure Majestät wird doch wenigstens Lichter anzünden lassen?« fragte Drinian.
»Natürlich«, sagte Kaspian. »Kümmert Euch darum, Kapitän.«
So wurden drei Laternen am Heck, am Bug und an der Mastspitze angezündet, und mittschiffs ließ Drinian zwei Fackeln anbrennen. Im Sonnenschein sahen sie bleich und schwach aus. Mit Ausnahme von ein paar Männern unten an den Rudern, wurden alle Mann bewaffnet an Deck beordert und mit gezogenem Schwert auf Kampfposition befohlen. Lucy und zwei Bogenschützen standen mit angelegten Pfeilen auf der Kampfplattform. Rynelf stand am Bug und hatte seine Leine in Bereitschaft, um die Tiefe zu loten. Riepischiep, Edmund, Eustachius und Drinian standen in ihrer schimmernden Rüstung bei ihm. Drinian übernahm die Ruderpinne.
»Und nun vorwärts–in Aslans Namen!« rief Kaspian. »Mit langsamem, gleichmäßigem Schlag! Und daß jedermann sich still verhält und auf meine Befehle achtet!«
Mit Ächzen und Stöhnen setzte sich die »Morgenröte« in Bewegung, als die Männer zu rudern begannen. Lucy, die auf der Kampfplattform stand, hatte ausgezeichnete Sichtund konnte genau sehen, wie sie in die Dunkelheit eintauchten. Der Bug war schon darin verschwunden, als auf dem Heck noch die Sonne lag. Lucy sah sie alle mitsamt ihrem Schiff verschwinden. Im einen Moment lagen der vergoldete Bug, das blaue Meer und der Himmel noch im hellen Sonnenlicht: im nächsten Moment waren das Meer und der Himmel verschwunden, und nur noch die Hecklaterne, die man zuvor kaum gesehen hatte, zeigte an, wo das Schiff endete. Vor der Laterne sah sie die dunkle Gestalt Drinians, der an der Ruderpinne kauerte. Unten warfen die beiden Fackeln zwei kleine Lichtflecke auf das Deck und brachten Schwerter und Helme zum Funkeln. Auf dem Vorderdeck war eine weitere Lichtinsel. Abgesehen davon schien die von der Laterne an der Mastspitze beleuchtete Kampfplattform eine kleine, helle Welt für sich, die in einer einsamen Dunkelheit schwebte. Und wie immer, wenn man zur falschen Tageszeit Lichter anzündet, sahen diese gespenstisch und unnatürlich aus. Lucy merkte auch, daß ihr sehr kalt war.
Keiner wußte, wie lange diese Reise in die Dunkelheit dauerte. Abgesehen vom Knarren der Riemen und dem Aufklatschen der Ruder gab es keinerlei Anzeichen, daß sie sich überhaupt bewegten. Edmund, der über den Bug lugte, konnte außer dem Widerschein der Laterne im Wasser vor sich nichts sehen. Die Reflexion sah ganz ölig aus, und die Wellen, die von dem sichvorwärts pflügenden Bug ausgingen, schienen bleiern, flach und leblos zu sein. Mit Ausnahme der Männer an den Rudern begannen alle im Laufe der Zeit vor Kälte zu zittern.
Plötzlich klang von irgendwoher–ihr Orientierungssinn war inzwischen ziemlich gestört–ein Schrei. Er kam entweder von einer nichtmenschlichen Stimme, oder es war die Stimme eines Menschen in derartiger Todesangst, daß er seine Menschlichkeit fast verloren hatte.
Kaspian wollte gerade etwas sagen–aber sein Mund war zu trocken–, als ihm die schrille Stimme Riepischieps zuvorkam, die in dieser Stille lauter schallte als gewöhnlich.
»Wer ruft da?« quiekte sie. »Wenn du ein Feind bist, fürchten wir dich nicht, und wenn du ein Freund bist, werden wir deinen Feinden das Fürchten beibringen!«
»Gnade!« rief die Stimme. »Gnade! Selbst wenn du nur ein weiterer Traum bist, hab Gnade! Nimm mich an Bord! Nimm mich mit, selbst wenn du mich totschlägst! Aber im Namen
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