Lewis, Michael
Stunde zu werden, bevor er sich
anderen Projekten widmete. »Er hat immer gesagt, was er gerade tut. Und er hat
dafür gesorgt, dass die Investoren eine hübsche Summe Geld verdienen. Man hätte
glauben können, dass sie ihm die Stange halten.« Doch das genaue Gegenteil traf
zu: Sie suchten so schnell sie nur konnten das Weite. Sie hassten ihn. »Ich verstehe einfach
nicht, weshalb die Leute nicht begreifen, dass ich ihnen nichts tue«, sagte
Michael Burry. Spät am Abend des 29. Dezember saß er in seinem Büro und schrieb
eine E-Mail an seine Frau: »Das ist so furchtbar deprimierend: Ich würde ja
gerne nach Hause kommen, aber ich bin im Moment kurz vor dem Überschnappen und
viel zu frustriert.«
Und
so saß Michael Burry im Januar 2007, kurz bevor sich Steve Eisman und Charlie
Ledley vergnügt auf ihre Reise nach Las Vegas machten, an seinem Schreibtisch
und versuchte, seinen Investoren zu erklären, weshalb er in dem Jahr, in dem
der S&P 500 um mehr als 10 Prozent gestiegen war, 18,4 Prozent verloren
hatte. Wer von Anfang an dabei gewesen war, hatte sein bei Burry investiertes
Geld in sechs Jahren um 186 Prozent vermehrt - der S&P -500 -Index erzielte in diesem
Zeitraum einen Zuwachs von 10,13 Prozent -, doch Burrys langfristiger Erfolg
spielte für seine Anleger keine Rolle mehr. Sie beurteilten seinen Erfolg nun
Monat für Monat. »In dem fahr, das gerade zu Ende ging, lag ich bei fast allen
meinen Geschäftspartnern und Freunden mit 30 bis 40 Prozentpunkten im
Rückstand«, schrieb er. »Es geht nicht spurlos an einem Kapitalmanager vorüber,
wenn er vom Niemand zum Größten wird, nur um dann von fast allen verunglimpft
zu werden.« Doch, so fuhr er fort, er sei sich gerade deshalb sicherer als je
zuvor, dass sich die gesamte Finanzwelt auf dem Holzweg befinde und er Recht
behalten würde. »Ich war schon immer der Überzeugung, dass ein talentierter
Analyst, seines Zeichens Einzelkämpfer, der sehr hart arbeitet, viel bewirken
kann, und an dieser Überzeugung hat sich bis heute nichts geändert.«
Und
dann wandte er sich wieder seinen Credit Default Swaps zu, so wie er es schon
immer getan hatte: Alle wichtigen Fakten deuteten auf seinen letztendlichen
Erfolg hin. Allein in den vergangenen zwei Monaten waren drei große
Hypothekengeber gescheitert... Das Center for Responsible Lending, eine
unparteiische Organisation, die für die Rechte von Hausbesitzern und gegen
ausbeuterische Bankpraktiken eintritt, prognostizierte mittlerweile, dass 2007
rund 2,2 Millionen Hauseigentümer ihre Häuser verlieren würden und dass einer
von fünf minderwertigen Hypothekenkrediten, die zwischen 2005 und 2006 vergeben
worden waren, ausfallen würde...
Michael
Burry stand kurz davor, der Bösewicht der Wall Street zu werden. Seine
vierteljährlichen Rundschreiben an seine Investoren, die seiner Meinung nach
nicht für die Öffentlichkeit gedacht waren, sickerten immer häufiger zur Presse
durch. In dem Schmähartikel eines Fachblatts wurde seine Entscheidung für das
Side-Pocket als unethische Handlung bezeichnet, und Burry war sich so gut wie
sicher, dass dieser Vorwurf von einem seiner Investoren kam. »Mike war alles
andere als paranoid«, erklärte ein New Yorker Investor, der genau verfolgt hatte,
wie sich die anderen Investoren von Scion Capital verhielten. »Sie wollten ihn
drankriegen. Er war in ihren Augen nicht nur ein schlechter Mensch, sondern ein
geldgeiler Soziopath, der ihnen ihr ganzes Geld stehlen wollte. Außerdem konnte
er ja jederzeit in seinen alten Beruf als Neurologe zurückkehren. Das war das
Erste, was sie Mike vorwarfen: dass er ein Mediziner war.« Burry kamen die
merkwürdigsten Gerüchte über ihn selbst zu Ohren. Er hätte seine Frau verlassen
und würde sich an einem geheimen Ort aufhalten. Er wäre nach Südamerika
geflohen. »Ein interessantes Leben, das ich da seit Kurzem führe«, schrieb
Burry in einer E-Mail an einen seiner Freunde.
Angesichts der Ereignisse der jüngsten Zeit bekam ich zum
ersten Mal in unserer Fondsgeschichte die Gelegenheit zu einem Gespräch mit
vielen unserer Investoren. Ich war schockiert über das, was ich dabei zu hören
bekam. Ich habe den Eindruck gewonnen, als hätten die Investoren nur einen
flüchtigen Blick auf meine Schreiben geworfen und mehr der Gerüchteküche oder
dem Hörensagen Glauben geschenkt als der Analyse der Fakten oder meinen ersten
Stellungnahmen. So hieß es wahlweise, ich hätte einen Private-Equity-Fonds
gegründet, versucht, ein
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