Lewis, Michael
es, wie ich vermute,
um Handelsaktiva ging, bin ich überrascht, dass Ihr Handels-VaR [das Risikomaß
Wert im Risiko] in diesem Quartal stabil geblieben ist. Können Sie mir helfen
zu verstehen, wieso Ihr VaR sich in dem Quartal nicht drastisch erhöht hat?**
** Hier handelt es sich um eine andere Art, dieselbe Frage
zu stellen: Wie war es möglich, dass Howie Hublers Anleihen von 100 auf 7
fielen und die Berichte, die Sie bekamen, immer noch besagten, sie könnten
keine dramatischen Wertveränderungen erfahren?
John
Mack: Bill,
ich denke, VaR ist eine sehr gute Darstellung liquider Handelsrisiken. Aber
was das ... [unverständlich] angeht, spreche ich Sie gern wieder darauf an,
wenn wir das hier hinter uns haben, denn im Augenblick kann ich das nicht
beantworten.
Die
bedeutungslose Wortflut mag bei den Zuhörern den Eindruck hinterlassen haben,
sie seien unfähig, die tiefgreifende Komplexität von Morgan Stanleys
Anleihenhandel zu durchdringen. Tatsächlich zeigte sie aber, dass der
Firmenchef selbst die Lage eigentlich nicht verstand. John Mack galt unter
seinen Kollegen als relativ gut informiert über die Handelrisiken seines
Unternehmens. Schließlich war er selbst früher als Rentenhändler tätig gewesen
und in die Bank geholt worden, um mehr Risikobereitschaft in Morgan Stanleys
Unternehmenskultur zu bringen. Dennoch hatte er nicht begriffen, was seine
Händler im Schilde führten, als sie noch bei der Ausführung ihrer Pläne waren,
und konnte nicht einmal umfassend erklären, was sie getrieben hatten, nachdem
sie 9 Milliarden US-Dollar Verlust gemacht hatten.
Schließlich
war der Moment gekommen: Auch der letzte Käufer von Subprime-Risikopapieren
hatte aufgehört zu kaufen. Am 1. August 2007 klagten die ersten Aktionäre gegen
Bear Stearns wegen des Zusammenbruchs der subprime-besicherten Hedgefonds.
Eine der weniger augenfälligen Folgen dieses Schrittes war, dass die drei
jungen Männer von Cornwall Capital stark beunruhigt waren, weil sie auf einem
für ihre Verhältnisse enormen Berg von Credit Default Swaps saßen, die sie
überwiegend von Bear Stearns gekauft hatten. Seit der Tagung in Las Vegas hatte
Charlie Ledley das Gefühl nicht abzuschütteln vermocht, dass sie ungeheure
Ereignisse erlebten. Ben Hockett, der als Einziger der drei bei einem großen Wall-Street-Unternehmen
gearbeitet hatte, tendierte ebenfalls zu Gedankenspielereien, die sehr bald in
einem katastrophalen Ende mündeten. Und Jamie Mai hielt ohnehin viele
Wall-Street-Banker für Abschaum. Alle drei machten sich Sorgen, dass Bear
Stearns Konkurs gehen und die Spielschulden nicht begleichen könnte. »Es kann
ein Moment kommen, in dem du nicht mehr mit einer Wall-Street-Bank handeln
kannst«, erklärte Ben, »und das kann im Handumdrehen passieren.«
In
dieser ersten Augustwoche hörten sie sich um und versuchten sich einen Eindruck
von den Preisen für AA-CDOs zu verschaffen, deren Handelspreise noch vor
einigen Monaten vermuten ließen, sie seien im Grunde risikolos. »Die zugrunde
liegenden Anleihen brachen zusammen, und alle, mit denen wir zu tun hatten,
sagten, wir geben Ihnen zwei Punkte«, erzählte Charlie. Noch bis Ende Juli
hatten Bear Stearns und Morgan Stanley praktisch erklärt, AA-CDOs seien 98 Cent
pro US-Dollar wert. Auf dem gesamten Markt wiederholte sich die
Auseinandersetzung, die Howie Hubler und Greg Lippmann geführt hatten.
Cornwall
Capital besaß Credit Default Swaps auf 20 faule CDOs, aber alle waren auf ihre
ganz eigene Art faul, und daher war ihr genauer Wert schwer einzuschätzen.
Eines war klar: Ihre langfristige Spekulation war keine langfristige mehr. Ihre
Wall-Street-Händler hatten ihnen immer gesagt, sie würden ihre obskuren Credit
Default Swaps auf AA-CDO-Tranchen nie wieder los, aber der Markt geriet in
Panik und war offenbar versessen, Absicherungen auf alles zu kaufen, was mit
Subprime-Hypothekenanleihen zu tun hatte. Die Kalkulation hatte sich verändert:
Zum ersten Mal konnte Cornwall Capital eine Menge Geld verlieren, falls etwas
passieren sollte, was eine Kehrtwende auf dem Markt bewirkte - falls etwa die
US-Regierung einschritte und Garantien auf sämtliche
Subprime-Hypothekenkredite gäbe. Und falls Bear Stearns pleiteginge, würden sie alles verlieren. So ungewöhnlich
hellhörig sie für die Möglichkeit einer Katastrophe waren, so sehr fühlten sie
sich ihr nun ausgesetzt. Sie beeilten sich, in Deckung zu gehen, und suchten
Käufer für diese seltsamen, neuerdings
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