Lewis, Michael
UBS
überhaupt im Subprime-Geschäft war«, erklärte Charlie. »Rückblickend kann ich
es gar nicht fassen, dass wir nicht auf dem Absatz kehrt gemacht und auf
sinkende UBS-Kurse spekuliert haben.« Weder UBS noch andere ihrer
Wall-Street-Käufer äußerten auch nur die geringsten Bedenken, dass sie sich mit
der Übernahme der Credit Default Swaps von Cornwall das Risiko einhandelten,
dass Bear Stearns Konkurs gehen könnte: Dieser Gedanke war in großen
Wall-Street-Unternehmen noch unvorstellbar. Cornwall Capital hatte viereinhalb
Jahre zuvor mit einem Kapital von 110000 US-Dollar angefangen und nun mit einem
Einsatz von einer Million einen Reingewinn von 80 Millionen US-Dollar gemacht.
»Wir waren erleichtert, dass wir nicht die Dummen waren«, sagte Jamie. Das
waren sie tatsächlich nicht. Ihre hochspekulative Wette hatte sich 80 zu 1
ausgezahlt. Und im Powder Monkey fragte niemand, was Ben eigentlich trieb.
Die
ausgedehnte englische Verwandtschaft seiner Frau wollte natürlich wissen, wo
er gesteckt hatte, und er versuchte es ihnen zu erklären. Nach seiner
Einschätzung passierte gerade Entscheidendes. Er vermutete, dass das
Bankensystem insolvent war, was schwerwiegende Erschütterungen nach sich ziehen
würde. Wenn das Bankwesen zum Erliegen käme, gäbe es keine Kredite mehr, wenn
es keine Kredite mehr gäbe, würde der Handel erlahmen, und wenn der Handel aufhörte
- nun ja, der Chlorvorrat für die Wasserversorgung der Stadt Chicago reichte
nur für acht Tage. Krankenhäusern gingen die Medikamente aus. Die gesamte
moderne Welt baute auf der Möglichkeit auf, jetzt zu kaufen und später zu
bezahlen. »Als ich um Mitternacht nach Hause kam, versuchte ich mit meinem
Schwager über die Zukunft unserer Kinder zu reden«, erzählte Ben. »Ich riet
allen im Haus, sich zu vergewissern, dass ihre Einlagen bei der HSBC-Bank
versichert waren. Ich sagte ihnen, sie sollten sich mit etwas Bargeld
eindecken, weil es zu Störungen kommen könnte. Aber es war schwer zu
vermitteln.« Wie sollte man einem harmlosen Bürger der freien Welt erklären,
was ein Credit Default Swap auf eine AA-Tranche einer subprime-besicherten
Collateralized Debt Obligation bedeutete? Er versuchte es, aber seine
englischen Verwandten schauten ihn nur seltsam an. Sie verstanden, dass
irgendein anderer gerade eine Menge Geld verloren und Ben eine Menge Geld
verdient hatte, aber viel mehr begriffen sie nicht. »Ich kann nicht wirklich
mit ihnen darüber reden«, sagte er. »Sie sind Engländer.«
Zweiundzwanzig
Tage später, am 31. August 2007, hob Michael Burry das Side-Pocket auf und
begann ernsthaft, seine eigenen Credit Default Swaps abzustoßen. Seine
Investoren konnten ihr Geld zurückbekommen. Ihre Einlagen hatten sich
mittlerweile verdoppelt. Noch vor einigen Monaten hatte man Burry für seine
Credit Default Swaps, deren Wert sich zu Spitzenzeiten auf 1,9 Milliarden
US-Dollar belief, 200 Basispunkte geboten, also 2 Prozent vom Nennwert. Jetzt
boten ihm Wall-Street-Unternehmen, die ihren Fall verzweifelt abzufedern
versuchten, 75,80 und 85 Prozentpunkte. Am Quartalsende konnte er berichten, dass der Fonds um
über 100 Prozent gestiegen war. Zum Jahresende hatte er mit einem Portfolio von
unter 550 Millionen US-Dollar Gewinne von über 720 Millionen US-Dollar
erwirtschaftet. Von seinen Investoren hörte er noch immer keinen Mucks. »Selbst
als klar war, dass es ein starkes Jahr war und ich Recht behalten hatte,
stellte sich kein Triumphgefühl ein«, erzählte er. »Geld zu verdienen war
überhaupt nicht so, wie ich es mir vorgestellt hatte.« Seinem Investor aus der
Gründungszeit seines Fonds, Gotham Capital, schrieb er unaufgefordert eine
E-Mail, in der es lediglich hieß: »Gern geschehen.« Er hatte schon beschlossen,
ihn aus dem Fonds zu werfen und darauf zu bestehen, dass Gotham Capital seine
Fondsanteile verkaufte. Als man ihn um einen Preisvorschlag bat, antwortete er:
»Wie wäre es, wenn Sie die zig Millionen behalten, die ich für Sie verdient
habe, obwohl Sie mich im vergangenen Jahr beinahe daran gehindert hätten, und
wir sind quitt?«
Als
er angefangen hatte, hatte er beschlossen, seinen Investoren nicht die üblichen
Verwaltungsgebühren von etwa 2 Prozent für seine Dienste zu berechnen. In dem
einzigen Jahr, in dem er das Geld seiner Investoren nicht vermehrt hatte, hatte
er wegen der fehlenden Verwaltungsgebühren Angestellte entlassen müssen. Nun
teilte er seinen Anlegern in einem Schreiben mit, dass er seine
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