Lewis, Michael
relevanten Versicherungspolicen, die
sie angehäuft hatten.
Die
Aufgabe fiel Ben Hockett zu. Charley Ledley hatte mehrmals versucht, als
Händler aufzutreten, aber kläglich versagt. »Es gibt so viele kleine Regeln«,
meinte er. »Du musst genau wissen, was du zu sagen hast, und wenn du das nicht
weißt, sind alle sauer auf dich. Ich dachte, ich hätte so was gesagt wie:
>Verkaufen!<, aber wie sich herausstellte, sagte ich: >Kaufen!<
Ich bin irgendwie in die Erkenntnis hineingestolpert, dass ich mich besser
nicht als Händler betätigen sollte.« Ben hatte seinen Lebensunterhalt als
Händler verdient und war der Einzige der drei, der wusste, was man wie sagen
musste. Aber Ben machte bei der Familie seiner Frau Urlaub in Südengland.
Und
so kam es, dass Ben Hockett in dem südwestenglischen Städtchen Exmouth in der
Grafschaft Devon in einem Pub namens The Powder Monkey saß und einen Käufer für
Credit Default Swaps auf AA-Tranchen von Mezzanine-Subprime-CDOs suchte. The Powder Monkey besaß den einzigen
zuverlässigen drahtlosen Internetzugang der Stadt, und offenbar störte sich
keiner der passionierten britischen Trinker an dem Amerikaner, der von 14 bis
23 Uhr an einem Ecktisch auf seinen Laptop einhämmerte und in sein Handy
sprach. Bis dahin hatten sich nur drei Wall-Street-Unternehmen bereit erklärt,
Geschäfte mit Cornwall Capital zu machen und ihnen die ISDA-Verträge zu geben,
die für den Handel mit Credit Default Swaps erforderlich waren: Bear Stearns,
die Deutsche Bank und Morgan Stanley. »Ben hatte uns immer erklärt, dass ein
Geschäft ohne ISDA zwar möglich, aber überhaupt nicht üblich ist«, sagte
Charlie. Doch dies war nicht die Zeit für die übliche Vorgehensweise. Am Freitag,
den 3. August, rief Ben in jedem größeren Wall-Street-Unternehmen an und
erklärte: »Sie kennen mich nicht, und ich weiß, dass Sie uns keinen ISDA-Vertrag
geben werden, aber ich habe Ausfallversicherungen auf subprime-hypothekenbesicherte
CDOs, die ich verkaufen möchte. Wären Sie bereit, ohne ISDA-Vertrag mit mir
Geschäfte zu machen?« Ben erzählte: »Die Standardantwort war Nein. Darauf
sagte ich: >Rufen Sie den Leiter Ihrer Rentenhandelsabteilung und den Leiter
Ihres Risikomanagements an und fragen Sie sie, ob sie das anders sehen.<«
An diesem Freitag war offenbar nur eine Bank bereit, mit ihm Geschäfte zu
machen: UBS. Sie brannte sogar darauf. Der letzte Mann, der an dem Fesselballon
hing, hatte das Seil losgelassen.
Am
Montag, den 6. August, ging Ben wieder in den Powder Monkey und begann zu handeln. Für
Versicherungspolicen, die ein halbes Prozent gekostet hatten, bot UBS ihm nun
30 Punkte im Voraus. Cornwalls Credit Default Swaps über 205 Millionen
US-Dollar, die sie etwa eine Million gekostet hatten, waren plötzlich etwas
über 60 Millionen US- Dollar (30 Prozent von 205 Millionen) wert. Aber UBS war
nicht mehr der einzige Interessent. Die Vertreter von Citigroup, Merrill Lynch
und Lehman Brothers, die am Freitag so abweisend reagiert hatten, waren am
Montag brennend interessiert. Alle versuchten schwitzend und stöhnend, den
Preis für die Risiken dieser CDOs, die ihre Firmen geschaffen hatten, zu
ermitteln. »Für mich war es einfacher, weil sie sich jedes einzelne Angebot
anschauen mussten«, erklärte Ben. »Ich wollte nur das Geld.« Cornwall hatte 20
verschiedene Positionen zu verkaufen. Bens Internetverbindung kam und ging
ebenso wie sein Handyempfang. Nur das verzweifelte Bestreben der
Wall-Street-Firmen, eine Feuerversicherung für ihr brennendes Haus zu kaufen,
blieb unvermindert. »Es war das erste Mal, dass wir Preise sahen, die auch nur
annähernd widerspiegelten, was die Positionen tatsächlich wert waren«, erzählte
Charlie. »Wir hatten Positionen, deren Wert Bear Stearns mit 600 Riesen
veranschlagte und die am nächsten Tag auf sechs Millionen stiegen.«
Am
Donnerstagabend um 23 Uhr war Ben fertig. Es war der 9. August, der Tag, an
dem die französische Bank BNP bekannt gab, dass Investoren die Einlagen in ihre
Geldmarktfonds wegen Problemen mit US-Subprime-Hypothekenkrediten nicht
abziehen könnten. Ben, Charlie und Jamie war nicht klar, wieso eine Schweizer
Bank drei Viertel ihrer Credit Default Swaps gekauft hatte. Bei Cornwall
Capital war der Name der Bank kaum einmal gefallen, bis sie förmlich darum gebettelt
hatte, die Kreditausfallversicherungen kaufen zu dürfen, die mittlerweile sehr
hohe Preise erzielten. »Ich hatte keinen besonderen Grund anzunehmen, dass
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