Lewis, Michael
Zeiten und meinen
E-Mail-Äußerungen einzubauen. Darüber bin ich so überbesorgt, dass ich heute
Abend angefangen habe zu überlegen, ob ich den Fonds nicht schließen sollte.«
Nun
suchte er nach Gründen, das Anlagegeschäft aufzugeben. Seine Investoren halfen
ihm, sie zu finden: Er hatte ihnen viel Geld eingebracht, aber offenbar
empfanden sie es nicht als ausreichende Entschädigung für die Achterbahnfahrt,
der er sie in den vergangenen drei Jahren ausgesetzt hatte. Jeder Anleger, der
seit der Gründung von Scion Capital am 1. November 2000 bei diesem Fonds
geblieben war, hatte bis zum 30. Juni 2008 nach Abzug aller Gebühren und Kosten
einen Gewinn von 489,34 Prozent gemacht. (Der Bruttogewinn des Fonds betrug 726
Prozent.) Im selben Zeitraum erwirtschaftete der S&P 500 gut 2 Prozent
Rendite. Allein im Jahr 2007 hatte Burry seinen Anlegern 750 Millionen
US-Dollar eingebracht, und dennoch verwaltete er inzwischen nur noch 600
Millionen US-Dollar. Unerbittlich und in rascher Folge forderten seine Anleger
ihre Einlagen zurück. Kein neuer Investor rief an, kein einziger. Es rief auch
niemand an, um ihn nach seiner Meinung über die Welt oder nach seinen Zukunftsprognosen
zu fragen. Soweit er sehen konnte, wollte anscheinend auch niemand wissen, wie
er das, was er geschafft hatte, gemacht hatte. »Wir sind nicht sonderlich
populär«, schrieb er.
Es
empörte ihn, dass man denjenigen, die sich am meisten bei den Medien einschmeichelten,
das tiefere Verständnis zutraute. Keine Branche konnte objektiver sein als das
Geldmanagement, und dennoch überwogen selbst hier die nebulösen sozialen
Aspekte gegenüber Fakten und Logik. »Ich muss schon sagen, dass ich mich
wundere, wie viele Leute jetzt behaupten, sie hätten den Subprime-Zusammenbruch,
den Rohstoffboom und die rückläufige Wirtschaftsentwicklung kommen sehen«,
schrieb Burry im April 2008 an seine verbliebenen Investoren. »Auch wenn sie
es nicht immer ausdrücklich sagen, legen sie es nahe, indem sie im Fernsehen
auftreten oder Journalisten Interviews geben und sich maßlos selbstbewusst
geben, was die nächsten Entwicklungen angeht. Und diese Leute hätten doch
sicher nicht den Nerv, zu sagen, was als Nächstes passieren wird, wenn sie in
Bezug auf das, was zuletzt geschehen ist, so furchtbar falsch gelegen hätten,
stimmt's? Aber ich erinnere mich nicht an allzu viele, die damals meine Meinung
geteilt hätten.« Es war beinahe, als würde es gegen ihn sprechen, dass er genau
richtig gelegen hatte - seine Gegenwart war vielen unangenehm. Ein Fachblatt
veröffentlichte eine Liste der 75 besten Hedgefonds des Jahres 2007, aber Scion
war nicht darauf zu finden, obwohl seine Rendite mit an der Spitze rangierte.
»Es war, als ob sie einen Schwimmer bei der Olympiade in einem separaten Becken
hätten schwimmen lassen«, sagte Burry. »Mit seiner Zeit gewann er Gold. Aber
er bekam keine Medaille. Ich glaube wirklich, dass das für mich das Ende war.
Ich suchte nach einer Anerkennung. Es gab keine. Ich hatte für die Olympiade
trainiert, und dann sagten sie mir, ich sollte im Idiotenbecken schwimmen.«
Einige seiner verbliebenen Anleger fragten ihn, warum er keine aggressivere
Öffentlichkeitsarbeit betrieben habe - als ob das zum Geschäft gehörte!
Nachdem
die US-Regierung eingeschritten war und erklärt hatte, sie werde praktisch
sämtliche Verluste des Finanzsystems übernehmen und verhindern, dass ein
großes Wall-Street-Unternehmen bankrott ginge, begann Burry Anfang Oktober 2008
zum ersten Mal seit Jahren, mit Begeisterung Aktien zu kaufen. Der Stimulus
würde seiner Ansicht nach unweigerlich in die Inflation, aber auch zu einem
Boom am Aktienmarkt führen. Möglicherweise handelte er vorschnell, da die
Kurse vielleicht noch fallen würden, bevor sie anzogen, aber das war ihm egal:
Der Wert war jetzt vorhanden, und langfristig würde die Spekulation sich
auszahlen. Sofort äußerte sein größter verbliebener Investor, der 150 Millionen
US-Dollar in seinem Fonds angelegt hatte, Zweifel an seinem Urteilsvermögen und
drohte, sein Geld abzuziehen.
Am
27. Oktober schrieb Burry an einen seiner beiden E-Mail-Freunde: »Heute Abend
verkaufe ich die Positionen. Ich glaube, ich habe eine Belastungsgrenze
erreicht. Heute habe ich noch nichts gegessen, ich schlafe nicht mehr, ich
spreche nicht mit meinen Kindern, spreche nicht mit meiner Frau, ich bin am
Ende. Asperger hat mir einige großartige Gabe verliehen, mir aber auch zu lange
das Leben allzu schwer
Weitere Kostenlose Bücher