Lewis, Michael
keinen Herzanfall.«< Dann hörte er auf zu reden, und ich sagte:
>Na gut, vielleicht doch.<« Das war nicht gerade hilfreich. Unsicher
drehte Danny sich zu Vinny um, der vom anderen Ende des langgestreckten Büros
alles beobachtet hatte, und überlegte, ob er einen Krankenwagen rufen sollte.
»Ich
muss hier raus. Sofort«, sagte er.
Cornwall
Capital hatte durch die Spekulationen gegen Subprime-Hypothekenanleihen sein
Kapital von gut 30 Millionen auf 135 Millionen US-Dollar mehr als vervierfacht,
aber bei den drei Firmengründern stellte sich keine Champagnerstimmung ein.
»Wir waren völlig auf die Frage fixiert: Wo können wir unser Geld sicher
anlegen?«, erzählte Ben Hockett. Früher hatten sie kein Geld besessen. Jetzt
waren sie reich, fürchteten aber, ihren Wohlstand nicht bewahren zu können. Da
sie schon von ihrer Veranlagung her zu den Menschen gehörten, die sich mit
Problemen herumquälten, taten sie es aufgrund ihrer Erfahrungen nun umso mehr.
Sie fragten sich sogar, wie Menschen, die so sensationell richtig gelegen
hatten (also sie selbst), sich das mangelnde Selbstvertrauen, die Zweifel und
die Unsicherheit bewahren können, die sie zu einer richtigen Einschätzung
befähigt hatten. Je sicherer man sich seiner selbst und seines Urteils wäre,
umso schwieriger ließen sich Chancen auftun, die auf der Vorstellung beruhten,
dass man am Ende wahrscheinlich falsch läge. Spekulationen auf unwahrscheinliche Ereignisse
waren erstaunlicherweise ein Spiel für junge Männer. Charlie Ledley und Jamie
Mai fühlten oder benahmen sich nicht mehr ganz so jugendlich. Charlie litt
inzwischen unter Migräne und war von Ängsten verzehrt, was passieren könnte.
»Ich glaube, unsere Demokratie hat etwas grundlegend Beängstigendes«, erklärte
er. »Die Leute haben, davon bin ich überzeugt, das Gefühl, dass das System
manipuliert ist, und dagegen lässt sich schwer argumentieren.« Er und Jamie
verwendeten erstaunlich viel Zeit und Kraft auf Überlegungen, wie sich ein
ihrer Ansicht nach zutiefst korruptes Finanzsystem angreifen ließe. So heckten
sie einen Plan aus, sich an den Ratingagenturen zu rächen. Sie wollten einen
gemeinnützigen Verein mit dem ausschließlichen Zweck gründen, Moody's und
S&P zu verklagen, und die Einnahmen den Investoren schenken, die mit
Wertpapieren mit AAA-Rating Geld verloren hatten.
Jamie
erklärte: »Wir hatten vor, zu Investoren zu gehen und zu sagen: >Ihr wisst
ja gar nicht, wie übel man euch abgezockt hat. Ihr solltet wirklich klagen.<«
Mit großen Wall-Street-Unternehmen und den Leuten, deren Einkommen von ihnen
abhing, hatten sie so viele schlechte Erfahrungen gemacht, dass sie sich
scheuten, sich mit ihrer Idee an New Yorker Anwälte zu wenden. Daher fuhren sie
nach Portland in Maine und fanden eine Anwaltskanzlei, in der man ihnen zuhörte.
»Sie reagierten, als ob sie sagen wollten: >Ihr seid ja verrückt<«,
erzählte Charlie. Die Ratingagenturen wegen fehlerhafter Ratings zu verklagen
sei genauso, als würde man die Zeitschrift Motor Trend verklagen, weil sie ein Auto
empfohlen habe, das später einen Unfall habe, erklärten ihnen die Anwälte in
Maine.
Charlie
kannte einen prominenten Wirtschaftshistoriker, der auf Finanzkrisen
spezialisiert war, und rief ihn immer wieder an. »Diese Anrufe kamen oft
spätabends«, berichtete der Historiker, der anonym bleiben wollte. »Und sie
dauerten ziemlich lange. Ich erinnere mich, dass er zuerst fragte: >Wissen Sie,
was eine Mezzanine-CDO ist?< Und dann fing er an, mir zu erklären, wie alles
funktionierte«: Wall-Street-Investmentbanken hatten die Ratingagenturen
irgendwie dazu gebracht, haufenweise faule Anleihen abzusegnen; dadurch war es
möglich geworden, gewöhnlichen Amerikanern Billionen US-Dollar an Krediten zu
geben; die gewöhnlichen Amerikaner hatten nur zu gern mitgemacht und die
nötigen Lügen erzählt, um die Kredite zu bekommen; die Maschinerie, die diese
Kredite in angeblich risikolose Wertpapiere verwandelte, war so kompliziert,
dass Investoren aufgehört hatten, die Risiken einzuschätzen; dieses Problem
hatte solche Ausmaße angenommen, dass es ein verheerendes Ende nehmen und
beträchtliche soziale und politische Folgen haben musste. »Er wollte seine
Überlegungen durchsprechen und sehen, ob ich ihn für verrückt hielt«, erzählte
der Historiker. »Er fragte, ob die Fed jemals Hypotheken kaufen würde, und ich
sagte, dass ich das für äußerst unwahrscheinlich hielt. Es müsste schon
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