Lewis, Michael
gemacht.« An einem Freitagnachmittag Anfang November
spürte er Schmerzen in der Brust und ging in die Notaufnahme eines
Krankenhauses. Sein Blutdruck war in die Höhe geschossen. »Ich hatte das
Gefühl, dass mir ein kurzes Leben bevorstand«, schrieb er. Eine Woche später,
am 12. November, schickte er den Investoren einen letzten Brief. »Mein eigenes
Verhalten, die Anleger des Fonds, Geschäftspartner und selbst ehemalige
Angestellte haben mich wiederholt an den Rand des Abgrunds getrieben«, schrieb
er. »Ich war immer imstande, zurückzurudern und meine allzu intensive Liebesbeziehung
mit diesem Geschäft weiterzuführen. Aber nun sehe ich mich mit persönlichen
Dingen konfrontiert, die mich unbestreitbar über die Schwelle gestoßen haben,
daher bin ich zu der traurigen Erkenntnis gelangt, dass ich den Fonds schließen
muss.« Damit verschwand er und ließ viele zurück, die sich verwundert fragten,
was passiert sein mochte.
Dabei
war nichts anderes passiert, als dass er Recht behalten und die Welt sich
geirrt hatte und die Welt ihn dafür hasste. Und so stand Michael Burry am Ende
genauso da, wie er angefangen hatte: Er war allein und fand Trost in seiner
Einsamkeit. Er blieb in seinem Büro in Cupertino, Kalifornien, das groß genug
war für 25 Angestellte, aber der Fonds war geschlossen und das Büro leer. Als
Letzter ging Steve Druskin, dessen abschließende Aufgabe darin bestand, zu
klären, was er mit Michael Burrys Credit Default Swaps auf Subprime-Hypothekenanleihen
machen sollte. »Mike behielt ein paar davon, nur zum Spaß«, sagte er. »Nur ein
paar. Um zu sehen, ob uns die volle Summe ausbezahlt würde.« Allerdings geschah
das nicht zum Spaß, sondern aus Rache: um der Welt zu beweisen, dass die als
sichere Anlage eingestuften Anleihen, gegen die er spekuliert hatte,
tatsächlich völlig wertlos waren. Die beiden Credit Default Swaps, die er
behalten hatte, bezogen sich auf Subprime-Anleihen, die Lehman Brothers 2005
aufgelegt hatte. Ihr Wert fiel etwa zur selben Zeit auf null wie der ihres Schöpfers.
Burry hatte für jede etwa 100000 US-Dollar eingesetzt und 5 Millionen US-Dollar
gewonnen.
Aus
Sicht eines Anwalts, der einen Investmentfonds schloss, bestand das Problem
darin, dass diese merkwürdigen Verträge erst 2035 ausliefen. Die Broker hatten
sie längst in vollem Umfang ausgezahlt: 100 Cent pro US-Dollar. Kein
Wall-Street-Unternehmen machte sich auch nur die Mühe, ihnen noch Quoten dafür
zuzuschicken. »Ich bekomme keine Bestätigung von einem Broker, dass wir noch
eine offene Position bei ihm haben«, erklärte Druskin. »Aber es ist so. Es
ist, als ob niemand mehr darüber reden wollte. Es ist, als ob sie sagen würden:
>In Ordnung, ihr habt eure 10 Millionen US-Dollar bekommen. Und jetzt
belästigt uns nicht weiter damit.<«
An
der Wall Street spielen Anwälte die gleiche Rolle wie Ärzte im Krieg: Sie
kommen, wenn die Kämpfe vorbei sind, und räumen das Schlachtfeld auf. Verträge
mit einer Laufzeit von 30 Jahren und einem entfernten theoretischen
RückZahlungsrisiko - wie hoch dieses Risiko genau war, versuchte er noch
herauszufinden - waren der Rest, der von Michael Burrys Schlachtfeld übrig war.
»Es ist möglich, dass die Broker die Verträge weggeworfen haben«, sagte
Druskin. »Vor drei Jahren rechnete auf der Brokerseite niemand damit, dass so
was passieren könnte. Also wurde auch niemand im Umgang damit geschult. Wir
haben sinngemäß gesagt: >Wir schließen das Geschäft.< Und sie haben
erwidert: >Okay.<«
Als
Eisman den Anruf von Danny Moses erhielt, der ihm mitteilte, dass er
möglicherweise einen Herzanfall hatte und nun mit Vinny und Porter auf den
Stufen der St. Patrick's Cathedral saß, befand er sich mitten in einem
allmählichen Wandel, der Ähnlichkeit mit den Wechseljahren hatte. Die erste
Hitzewallung hatte ihn völlig unvorbereitet im Spätherbst 2007 überfallen.
Damals war vielen mittlerweile klar geworden, dass er Recht und sie Unrecht hatten
und er obendrein dabei noch reich geworden war. Er war zu einer Konferenz
gegangen, die Merrill Lynch veranstaltet hatte, kurz nachdem das Unternehmen
den Chef, Stan O'Neal, gefeuert und 20 Milliarden seiner insgesamt 52
Milliarden US-Dollar an Verlusten im Subprime-Markt offengelegt hatte. Bei
dieser Gelegenheit wandte sich Eisman an Merrill Lynchs Finanzvorstand, Jeff
Edwards, den er schon einige Monate zuvor wegen der Risikomodelle seines
Unternehmens verspottet hatte, und sagte: »Erinnern Sie sich noch,
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