Lewis, Michael
uns
schon übers Ohr haut.«
Eisman
nahm auf dem ihm zugewiesenen Stuhl zwischen Greg Lippmann und einem Kerl
Platz, der sich als Wing Chau vorstellte und nach eigenen Angaben Leiter einer
Investmentfirma namens Harding Advisory war. Als Eisman wissen wollte, welche
Art von Beratung Harding Advisory denn anbiete, erklärte Wing Chau, dass er
CDO-Manager sei. »Ich hatte keinen Schimmer, dass es so etwas wie einen
CDO-Manager überhaupt gab«, sagte Eisman. »Und ich wusste auch nicht, was da zu
managen war.« Später konnte sich Eisman nicht mehr daran erinnern, wie Wing
Chau ausgesehen, welche Kleidung er getragen hatte, wo er herkam oder was er
gegessen und getrunken hatte - er hatte alles vergessen bis auf die Art von
Investition, für die dieser Mann stand. Doch Danny Moses, der genau gegenüber
von Hibachi saß, hatte das Geschehen aufmerksam verfolgt und sich gefragt, wer
denn der Kerl war, von dem Lippmann wollte, dass er auf jeden Fall neben Eisman
saß. Er war nicht besonders groß und hatte den typischen Wohlstandsbauch eines
Wall-Street-Traders - kein Bierbauch, sondern eher die Art von Bauchansatz, die
einen gut durch einen kargen Winter bringt. Er hatte seinen Abschluss an der
Universität von Rhode Island gemacht, ein Wirtschaftsdiplom am Babson College
und die meisten Zeit seiner beruflichen Laufbahn langweilige Tätigkeiten bei
nicht minder langweiligen Lebensversicherungsgesellschaften verrichtet - aber
das war schon lange her. Er gehörte nun zu den Neureichen und stank förmlich
nach Geld. »Er hatte dieses Ich-weiß-alles-besser-Grinsen«, beschrieb ihn
Danny. Danny kannte Wing Chau nicht, doch als er hörte, dass er der Endkäufer
von minderwertigen CDOs war, wusste er genau, mit wem er es da zu tun hatte:
mit dem Trottel. »Ich wollte
eigentlich gar nicht mit ihm reden«, sagte Danny, »weil ich ihm keine Angst
einjagen wollte.«
Als
Danny und Vinny erkannten, dass Lippmann dafür gesorgt hatte, dass Eisman
direkt neben dem Trottel saß, hatten sie beide denselben Gedanken: Oh nein, das kann nicht gut
ausgehen! Eisman
konnte sich doch nicht beherrschen. Früher oder später würde er herausfinden,
mit welchem Trottel er es hier zu tun hatte, und was würde dann mit ihnen
geschehen? Sie waren auf Trottel angewiesen, wer sonst würde gegen sie wetten.
Und natürlich wollten sie weiterhin solche Geschäfte machen. »Wir wollten
nicht, dass sich herumspricht, was wir machen«, meinte Vinny. »Wir waren Spione
auf der Suche nach der Wahrheit.« Sie sahen zu, wie Eisman seine Sojabohnen in
die in der Mitte des Tischs bereitgestellte Sojasauce tunkte - eintunkte,
ablutschte, wieder eintunkte, wieder ablutschte -, und warteten darauf, dass
er in die Luft gehen würde. Ihnen blieb nichts anderes übrig, als sich
zurückzulehnen und die Show zu genießen. Eisman hatte eine ganz eigene Art,
jemandem zuzuhören. Im Grund hörte er seinem Gesprächspartner gar nicht zu,
sondern überließ es anscheinend einer bestimmten Region im hintersten Winkel
seines Gehirns - eine Art geistiger Subunternehmer -, zu entscheiden, ob
derjenige etwas Wichtiges zu sagen hatte und sich das Zuhören lohnte, und ließ
ansonsten seine Gedanken schweifen. Das führte natürlich dazu, dass er seine
Gesprächspartner beim ersten Mal grundsätzlich nicht verstand. Wenn sein
geistiger Subunternehmer feststellte, dass der Gesprächspartner tatsächlich
etwas Interessantes von sich gegeben hatte, schickte er ein entsprechendes
Signal an den Big Boss, der sich dann einklinkte und höchst konzentriert
nachbohrte: »Sagen Sie das noch mal!« Das tat dann auch jeder. Schließlich
hatte Eisman soeben signalisiert, dass er einem zuhörte, und da bekannt war,
dass er nur ausgewählten Gesprächspartnern zuhörte, fühlte man sich einfach
geschmeichelt. »Ich konnte meinen Blick nicht von den beiden abwenden«, sagte
Danny. »Und ich hörte Steve wieder und wieder sagen: Sagen Sie das noch mal! Sagen
Sie das noch mal!«
Wann
immer Eisman später zu einer Erklärung ansetzte, was die Finanzkrise denn
letztlich ausgelöst hatte, begann er mit der Schilderung des Essens mit Wing
Chau. Erst dort war ihm die zentrale Bedeutung der sogenannten Mezzanine-CDOs -
der CDOs, die zum größten Teil minderwertige Hypothekenanleihen mit BBB-Rating
enthielten - und ihrer synthetischen Gegenstücke, der CDOs, die ausschließlich
auf Credit Default Swaps auf minderwertigen Hypothekenanleihen mit BBB-Rating
beruhten, in vollem Umfang bewusst geworden. »Ihr
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