Lewis, Michael
müsst das verstehen«, pflegte
er zu sagen. »Das war nicht nur der Anfang vom Ende, sondern die treibende
Kraft dieser Katastrophe.« Dann zeichnete er mehrere Anleihentürme. Der erste
symbolisierte die ursprünglichen minderwertigen Darlehen, die gebündelt worden
waren. Das oberste Stockwert bildete die Tranche mit den AAA-Ratings, direkt
darunter kam die mit den AA-Ratings und so weiter, bis ganz unten zur
risikoreichsten Tranche mit BBB-Rating - also die Anleihen, gegen die Eisman
spekuliert hatte. Die Wall-Street-Firmen waren dann hergegangen und hatten aus
diesen Anleihen - den schlimmsten der schlimmen - einen neuen Turm gebaut: die
CDOs. Der Grund dafür war, dass die Ratingagenturen, denen die fragwürdigen
Anleihenpakete vorgelegt wurden, 80 Prozent der darin enthaltenen Anleihen mit
AAA benoteten. Diese Papiere ließen sich dann an die Investoren verhökern -
Pensionskassen, Versicherungsgesellschaften -, die nur befugt waren, in gut
bewertete Anleihen zu investieren. Eisman hörte zum ersten Mal, dass das Schiff
des Unheils von Leuten wie Wing Chau gesteuert wurde. Dieser Kerl kontrollierte
etwa 15 Milliarden US-Dollar, die er ausschließlich in CDOs investiert hatte,
die mit der BBB-Tranche einer Hypothekenanleihe besichert waren. Eisman sprach
in diesem Zusammenhang gerne von Papieren, die »noch drei Schichten Hundekacke
unter den eigentlichen Anleihen lagen«. Im Jahr zuvor war AIG der Hauptkäufer
der AAA-Tranche zweitklassiger CDOs gewesen - also dem Löwenanteil an CDOs.
Nachdem AIG ausgestiegen war, wurden solche Papiere nun hauptsächlich von
CDO-Managern wie Wing Chau gekauft. Ganz allein sorgte Chau für eine
unglaublich starke Nachfrage nach den riskantesten Tranchen von
Subprime-Hypothekenanleihen, und das quasi aus dem Nichts heraus. Diese enorme
Nachfrage führt unweigerlich dazu, dass der Markt mit neuen Hypothekendarlehen
überschwemmt wurde, die verbrieft werden konnten. Damals bei dem Essen, bei dem
Eisman seine Sojabohnen so ausgiebig in die Sauce tunkte, saß jemand an seinem
Tisch, der ebenso viel für Sojasauce übrig hatte: ein Mann, der es Zehntausenden
von ganz normalen US-Bürgern ermöglicht hatte, in den Genuss eines Kredits zu
kommen, den sie niemals zurückzahlen würden können.
Wie
der Zufall es wollte, hatte FrontPoint Partners viel Zeit mit der Analyse
solcher Darlehen zugebracht und wusste, dass die Ausfallquoten mittlerweile
ausreichten, um Wing Chaus gesamtes Portfolio auszuradieren. »Okay«, meinte
Eisman zu ihm. »Dann stecken Sie wohl echt tief im Schlamassel.«
»Nein«,
lautete Wing Chaus Antwort. »Ich habe schon alles abgestoßen.«
Sagen
Sie das noch mal!
Das
ergab doch keinen Sinn. Die Aufgabe eines CDO-Managers war es doch, sich ein
Wall-Street-Unternehmen zu suchen, das ihm Subprime-Anleihen besorgte, die als
Sicherheit für CDO-Investoren dienten, und anschließend die Anleihen selbst zu
prüfen. Außerdem gehörte es zu den Aufgaben eines CDO-Managers, die rund
hundert einzelnen Subprime-Anleihen eines jeden CDOs zu beobachten und die
schlechten, bevor sie ganz faul wurden, durch bessere zu ersetzen. Zumindest
lautete so die Theorie. In der Praxis sah es dagegen so aus, dass die Sorte von
Investoren, die ihr Geld Wing Chau anvertrauten und somit die AAA-Tranchen von
CDOs erwarben - deutsche Banken, taiwanesische Versicherungsgesellschaften,
japanische Bauernverbände, europäische Pensionskassen und allerlei
Unternehmen, die mehr oder weniger gezwungen waren, in mit AAA bewertete
Anleihen zu investieren -, das genau deshalb taten, weil sie sie für
idiotensicher, gegen jedwede Art von Verlusten gefeit hielten, weswegen es gar
nicht nötig war, deren Entwicklung zu beobachten oder sich Mordsgedanken
darüber zu machen. Die Praxis der CDO-Manager sah dagegen so aus, dass sie so
gut wie nichts taten, weshalb mit einem Mal alle möglichen zwielichtigen
Gestalten darauf hofften, selbst einmal CDO-Manager zu werden. »Zwei Kerle und
ein Bloomberg-Terminal in New Jersey« lautete die in der Wall Street gängige
Beschreibung der CDO-Manager. Je stumpfsinniger die beiden dann waren und je
weniger Fragen sie über die mit BBB bewerteten minderwertigen Anleihen
stellten, mit denen sie ihre CDOs komponierten, umso größer war die Wahrscheinlichkeit,
dass die großen Wall-Street-Unternehmen Stammkunden bei ihnen wurden. Im
Prinzip waren CDOs eine Art Geldwäsche, bei der ein Großteil der Risiken auf
dem Markt für zweitklassige Hypotheken salonfähig
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