Lewis, Michael
Leerverkäufe tätigt, hat die ganze Welt gegen sich. Das einzige
Unternehmen, das bereit war, sich mit mir zu treffen, obwohl es haarklein von
meinen Leerverkäufen wusste, war Moody's.« Nach ihrer Reise nach Las Vegas
waren sich Eisman und sein Team sicher, dass die Welt verrückt spielte, weshalb
sie davon ausgingen, dass dies auch jemandem wie Raymond McDaniel klar sein
müsste. »Aber wir saßen da«, erinnerte sich Vinny, »und er sagt im Brustton der
Überzeugung zu uns: >Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass sich unsere
Bewertungen als absolut korrekt erweisen werden.<« Steve fuhr aus seinem
Stuhl hoch wie von der Tarantel gestochen und rief: >Was haben Sie soeben
gesagt?< Er traute seinen Ohren nicht: Hatte der Typ allen Ernstes soeben
die wohl absurdeste Behauptung, die jemals in der Geschichte der Finanzwelt vom
Stapel gelassen wurde, von sich gegeben? Ray wiederholte sich. Eisman lachte
ihm direkt ins Gesicht. »Bei allem gebotenen Respekt, Sir«, sagte Vinnie
achtungsvoll, als sie sich anschickten zu gehen, »Sie sind ja völlig irre!«
Schließlich hatten sie es nicht mit Fitch oder S&P zu tun, sondern mit
Moody's - immerhin die Könige des Ratinggeschäfts. Warren Buffett hielt
Anteile von 20 Prozent an Moody's. Und Vincent Daniel aus Queens hatte dessen
CEO an den Kopf geworfen, dass er entweder ein Idiot war oder ein Betrüger.
Anfang
Juni erlebte der Markt für Subprime-Hypothekenanleihen einen, wie sich später
herausstellen sollte, kontinuierlichen Abschwung, und die Positionen von
FrontPoint gerieten in Bewegung - erst um Tausende und dann um Millionen
US-Dollar am Tag. »Ich weiß, dass ich verdiene«, sagte Eisman des Öfteren.
»Aber wer verliert denn jetzt eigentlich Geld?« Sie hatten bereits Aktien von
Hypothekenbanken und auf Eigenheime spezialisierten Bauunternehm en leerverkauft. Nun weiteten
sie ihre Leerverkäufe auf die Aktien der Ratingagenturen aus. »Sie verdienten
an der Bewertung von CDOs zehnmal so viel wie an der Bewertung von
GM-Anleihen«, sagte Eisman. »Doch das sollte bald ein Ende haben.«
Die
großen Wall-Street-Investmentbanken, das Herzstück des Kapitalismus, rückten
nun in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. »Unsere ursprüngliche Theorie
lautete ja, dass die Verbriefungsmaschinerie das größte Profitcenter der Wall
Street war, das aber nun im Sterben lag«, meinte Eisman. »Das Aus für diese
gigantische Maschinerie würde jedoch einen erheblichen Einnahmeverlust bedeuten.«
Einer der Gründe, weshalb die Wall Street dieses neue Süppchen - die
strukturierten Finanzprodukte - gekocht hatte, war, dass die konventionellen
Geschäfte jeden Tag weniger Gewinn abwarfen. Die Profite der Aktienmakler waren
nicht anders als die Gewinne aus den konventionelleren Teilbereichen des
Anleihengeschäfts durch den Wettbewerb im Internet stark rückläufig. In dem
Moment, in dem der Markt keine Subprime-Hypothekenanleihen und keine entsprechenden
CDOs kaufte, hatten die Investmentbanken ein Problem. Bis Mitte 2007 war Eisman
davon ausgegangen, dass die Firmen nicht so dumm waren, ihre eigenen Kreationen
zu kaufen. Aber ihm war nicht entgangen, dass ihr Verschuldungsgrad in nur
wenigen Jahren stark gestiegen war. Und ihm war auch aufgefallen, dass sie
immer mehr riskante Anlagegeschäfte mit geliehenem Geld tätigten. Was er jedoch
nicht wusste, war, um welche Vermögenswerte es sich dabei handelte. Um mit AAA
bewertete Unternehmensanleihen oder mit AAA bewertete Subprime-CDOs? »Wir
konnten uns nicht sicher sein«, erzählte er. »So etwas wurde nicht offengelegt.
Wir wussten nicht, was in ihren Bilanzen stand. Wir gingen natürlich davon aus,
dass sie diesen Mist loswurden, sobald sie ihn produziert hatten.«
Aufgrund
neuer Informationen und persönlicher Gespräche mit den Chefs der großen
Unternehmen und Ratingagenturen hatte er allerdings Verdacht geschöpft. Da war
zum einen die Tatsache, dass HSBC im Februar 2007 gewaltige Verluste durch
Subprime-Kredite ausgewiesen hatte und im März 2007 noch draufsetzte, dass es
sein Subprime-Portfolio auf den Markt warf. »Wir hielten HSBC immer für die
Guten«, sagte Vinny. »Sie hatten doch angeblich bei Household mit dem eisernen
Besen durchgekehrt. Wir dachten: Verdammte Scheiße, da gibt es jede Menge
Leute, die noch viel mieser sind.« Zum anderen hatte er von Merrill Lynchs
Ergebnissen für das zweite Quartal erfahren. Im Juli 2007 hatte Merrill Lynch
noch von weiteren sensationellen Quartalsgewinnen gesprochen,
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