Lewis, Michael
räumte bald
darauf aber ein, dass die Erträge aus dem Hypothekengeschäft aufgrund von
Verlusten durch Subprime-Anleihen rückläufig seien. Was in den Ohren der
meisten Investoren eher unbedeutend klang, waren für Eisman die Neuigkeiten schlechthin:
Merrill Lynch besaß immerhin eine nicht unerhebliche Menge an minderwertigen
hypothekenunterlegten Wertpapieren. Jeff Edwards, Merill Lynchs CFO, erzählte Bloomberg News, dass sich der Markt keine
Sorgen über diese Entwicklung zu machen brauche, da »aktives Risikomanagement«
es Merill Lynch ermöglicht habe, sein Engagement in niedriger bewerteten
Subprime-Anleihen zurückzufahren. »Ich möchte hier nicht ins Detail gehen und
Ihnen sagen, wie wir in einem beliebigen Augenblick aufgestellt sind«, sagte
Edward, der dann aber doch hinzufügte, dass der Markt Merrill und seinem Umgang
mit Subprime-Hypothekenanleihen viel zu viel Aufmerksamkeit zolle. Oder wie es
Edwards in einem wolkigen Satz formulierte: »Derzeit ruht ein übertriebener
Fokus auf einer bestimmten Anlagekategorie eines bestimmten Landes.«
Eisman
war da anderer Ansicht - und überredete deshalb den UBS-Analysten Glenn Schorr,
zu einem Treffen von Edwards und Merrill Lynchs größten Aktionären mitzukommen.
Der CFO von Merrill Lynch erklärte dort, dass die von Merrill Lynch
eingesetzten Modelle völlig ausreichten, um dieses kleine Problem mit
Subprime-Hypotheken, mit dem Merrill Lynch anscheinend zu kämpfen hatte, in den
Griff zu bekommen. »Wir hatten gerade erst mit der Besprechung angefangen«,
erzählte einer der Anwesenden. »Jeff hielt immer noch seinen gut
ausgearbeiteten Vortrag, da platzt Steve der Kragen: >Eure Modelle taugen
nichts!< Plötzlich breitete sich eisiges Schweigen im Raum aus. Was tat man
in so einer Situation? Lachte man? Dachte man sich geschwind eine Frage aus,
damit es wie geplant weitergehen kann? Steve saß an einem Ende des Tisches und
begann für jeden deutlich sichtbar damit, seine Papiere zu ordnen - ganz als ob
er sagen wollte: >Wem das noch nicht ruppig genug war, bitte, ich kann auch
gehen!<«
Eisman
für seinen Teil empfand diese Besprechung als höflichen Austausch
unterschiedlicher Standpunkte, an dem er das Interesse verloren hatte. »Es gab
nichts weiter zu sagen. Mir wurde ganz einfach klar, dass der Typ nichts
kapiert hatte.«
Oberflächlich
betrachtet machten die großen Wall-Street-Firmen den Eindruck, als könne sie
nichts aus der Ruhe bringen. Doch unter der Oberfläche, mutmaßte Eisman,
brodelten weitaus mehr Probleme als potenziell rückläufige Erträge. Sollten
sie tatsächlich allen Ernstes glauben, dass der Markt für minderwertige
Hypotheken für sie kein Problem darstellte, könnte ihnen dieser Markt den Todesstoß
versetzen. Er und sein Team recherchierten mittlerweile versteckte
Subprime-Risiken: Wer verschleierte hier was? »Wir nannten es >Auf großer
Schatzsuche<«, erzählte er. Er wusste nicht sicher, ob diese Unternehmen
tatsächlich die Gegenspieler seiner Wetten auf minderwertige Anleihen waren,
doch je tiefer er sich in diese Geschichte einarbeitete, umso sicherer wurde
er sich, dass sie selbst auch keine Ahnung hatten. Er traf sich mit mehreren
CEOs der Wall Street und stellte ihnen ein paar wirklich einfache Fragen zu
ihren Bilanzen. »Sie konnten sie nicht beantworten«, erinnerte er sich. »Sie
kannten sich nicht einmal in ihren eigenen Bilanzen aus.« Einmal lud er sich
selbst zu einer Besprechung mit Ken Lewis ein, dem CEO der Bank of America.
»Ich saß also da und hörte ihm zu. Dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen:
>Oh mein Gott, wie dumm ist der denn?< Mir ging ein Licht auf. Der Chef
der größten Bank der Welt ist strohdumm!« Sie verkauften Aktien der Bank of
America leer, ebenso wie UBS, Citigroup, Lehman Brothers und einige andere. Bei
Morgan Stanley ging das nicht, da sie Morgan Stanley gehörten, aber wenn sie
gedurft hätten, hätten sie es auf jeden Fall getan. Nicht lange nach ihren
Leerverkäufen der großen Banken der Wall Street suchte sie der für diese
Unternehmen zuständige bekannte Analyst Brad Hintz von Sanford C. Bernstein
& Co. auf. Hintz fragte Eisman, was er denn vorhabe.
»Wir
haben soeben Merrill Lynch leerverkauft«, antwortete Eisman.
»Wieso
das denn?«, wollte Hintz wissen.
»Unsere
Theorie ist ganz einfach«, erklärte Eisman. »Wir stehen kurz vor einer riesigen
Katastrophe, und bei Katastrophen mischt Merrill immer ganz vorne mit.« Als
Orange County schlecht beraten vor dem
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