Lewyn - Die Halbelbin: Reise durch Garnadkan (German Edition)
zwischen die Knie und den Bogen in die Hand. An den Stein gelehnt verhielt sie einige Zeit. Die Kriegerin musste erst einmal wieder zu Atem kommen. Dann sah sie den abgebrochenen Pfeil in ihrem Oberschenkel. Sie zog ihn heraus. Danach wollte sie wissen, ob ihre Gabe wirklich zurückkehrte. Sie wagte es. „Heidil!“ Langsam schloss sich die Wunde. Müde lächelte die Erbin der Macht. Jetzt hatte sie Hoffnung, dies auch bald wieder zu sein.
Eine Hand schlug über den Felsrand. Kurz darauf die Zweite. Soh’Hmil hatte schließlich den Vorsprung erreicht. Schnell war er bei der Freundin.
„War das nötig?“ Sein Blick fiel zuerst auf die Waffe, die noch immer griffbereit zwischen ihren Knien klemmte, und dann auf die zahlreichen toten Feinde.
„Ich hatte gehofft, es wäre nicht zu sehen.“
„Ich weiß nicht, ob es die Menschen bemerkten. Mir aber blieb es nicht verborgen. – Bist du verletzt? Ah, du konntest dich heilen. Das hat dich sicher einiges an Kraft gekostet. Wir sollten dennoch aufbrechen. Ich will nicht warten, dass sich Gleard und seine Männer die Belohnung für uns sichern können.“ Dann drehte er sich zum Abgrund um. Von dort kamen Geräusche. Allerdings erwartete er einen der Freunde. Es war aber der Herr von Szanahl, der zu den Beiden stieß. Sofort war Lewyn auf den Beinen.
„Sieh nach unseren Freunden.“ Notfalls würde sie Yar’nael bemühen, um die Gemeinschaft aus dieser Schlucht zu bringen.
„Sorgt Euch nicht. Ich werde weder Euch noch sie anrühren.“ Neugierig sah er dabei auf das Schwert, das in der Hand seines Gegenübers ruhte. „Ich werde Euch nicht verraten. Nehmt, was Ihr braucht. Doch dann solltet Ihr uns rasch verlassen. Die meisten dort unten würden nicht zögern, Euch dem Feind auszuliefern. Er hat einen hohen Preis für Euer Leben geboten. Ich denke, Ihr werdet bei den Menschen ebenso wenig eine Heimat finden, wie bei den Elben. Alle fürchten Euch.“
„Es scheint so.“
„Lewyn, habt Dank für Eure Warnung und Hilfe. Ihr habt viel riskiert. Das werde ich Euch nicht vergessen.“
Die große Stadt der Menschen
Der beginnende Sommer lag heiß über den weiten Ebenen Agondhars. Selbst der leichte Wind brachte keinerlei Abkühlung. Warm streichelte er über die Haut der Reiter. Die kleine Gemeinschaft näherte sich endlich ihrem Ziel.
Die Männer hatten in Erfahrung gebracht, dass Agonthalith in den Hügeln ein Stück vor dem Thandhra lag. Der kam aus dem Reich Tondior und floss hier bereits in Richtung der unendlichen Meere. Bis zu einem möglichen Wiedersehen mit Aschiel hatten die Gefährten vielleicht noch drei, im Höchstfall vier Tage zu reiten. Dabei mussten sie momentan durch stark bewohntes Gebiet. Überall zwischen den Anhöhen lagen Bauernhöfe oder kleine Dörfer. Die Nähe zu der großen Stadt wurde von vielen gesucht. Schließlich bot sie einiges an Sicherheit.
Lewyn beschloss, nur noch nachts zu reiten. Da war die Möglichkeit eines Zusammentreffens doch eher gering. Während der Sonnenstunden aber, wenn sie ruhen wollten, war dies nicht machbar. Zu viele Menschen zogen durchs Land.
„Wir reiten am Tage. So kommen wir wenigstens während der Dunkelheit zur Rast.“ Sie war etwas ärgerlich aufgestiegen.
„Aber dann werden wir nicht unentdeckt bleiben.“ Nirek zweifelte. Er wollte kein erneutes Aufeinandertreffen riskieren.
„Ich denke, sie haben uns ohnehin schon erspäht.“
„Und lassen uns einfach reiten, ohne Fragen zu stellen?“ Therani schüttelte ungläubig sein Haupt.
„Egal. Ich lasse es darauf ankommen.“
„Hier draußen werden wir uns zu verteidigen wissen, wenn uns die Menschen feindlich begegnen. In ihrer Stadt wird das kaum möglich sein. Willst du wirklich dahin?“
„Nirek, hörtest du nicht von der Großherzigkeit ihres Königs, auch dem Volke der Elben gegenüber? Vergesst nicht, er schickte uns Berohir, als sich Leranoth in großer Gefahr befand.“
„Wir sollten uns dennoch teilen. Ich reite mit Nerair vor. Wir werden herausfinden, ob ihr gefahrlos folgen könnt.“
„Erst wenn wir Agonthalith erblicken, werdet ihr beiden Auge und Ohr für uns sein.“ Bakla setzte sich erneut in Bewegung.
Am Nachmittag des dritten Tages hatten sie die Stadt vor sich. Ja, sie war wirklich groß. Ihre starke Außenmauer erstreckte sich rund um die höchsten Hügel dieser Gegend. Im inneren Ring, hinter dem zweiten mit Schleudern versehenen Wall, erblickten die Beobachter auf und zwischen den Erhebungen die Häuser der
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