Lewyn - Die Halbelbin: Reise durch Garnadkan (German Edition)
Dunkelheit hatte er in den letzten Jahren über die Länder getrieben. Da die Reiche weiterhin in Zwiespalt nebeneinander lebten oder sich gar bekriegten, konnte aufkeimender Widerstand schnell gebrochen werden.
„Du kannst doch nicht aufgeben!“ Der Heerführer war völlig fassungslos. „So lange ich dich kenne, hast du immer gesagt, dass es bis zuletzt Hoffnung geben wird. Ich weigere mich zu glauben, dass du einfach zulässt, dass Garnadkan von Finsternis beherrscht wird. Du wolltest niemals den Feind siegen lassen. Bis zum letzten Atemzug wolltest du ihn bekämpfen! Nur wegen dieser ängstlichen Menschen willst du der Dunkelheit jetzt ein Geschenk machen, dessentwegen alle noch mehr leiden müssen?! Nun erinnere dich doch endlich deiner Worte!“ Er schrie sie regelrecht an. Als er danach ihrem Blick begegnete, begriff er. Die Kriegerin gab keineswegs auf. Aber die Worte, die er gerade von sich gegeben hatte, vermochten es vielleicht, den Umstehenden die Augen zu öffnen. Das beginnende Gemurmel ließ jedenfalls darauf hoffen.
„Gut gemacht.“ Diesen Gedanken konnte nur sie verstehen.
Die Männer der Stadt brachen in eine wilde Diskussion aus, der nun ein Einzelner das Ende bereitete. Er musste der Fürst von Shin’anur sein. Er war nicht mehr der Allerjüngste, aber auch noch nicht so alt, dass er mit dem baldigen Tod rechnen musste. Dennoch war er durch schwere Krankheit gezeichnet. Er ging an Krücken die Straße herunter. Neben ihm gingen zwei Burschen, die ihn stützen konnten, sollte es notwendig werden. Er kam bis dicht an die Heimatlose heran. Sofort waren die Umstehenden bereit, einzugreifen. Aber er lächelte nur.
„Ihr seid eine kluge Frau. Zudem haben Eure Freunde Recht. In wen sollten wir unsere Hoffnung setzen, wenn nicht in Euch? Noch immer fürchtet die Dunkelheit Eure ungeheure Stärke, wie mir scheint mehr als zuvor. Mit Stärke meine ich dabei nicht die magischen Fähigkeiten. Derer wurdet Ihr beraubt. Aber der Verrat der Elben konnte Euch nicht brechen. Die Hoffnung durfte weiterleben und verbreitete sich auch unter dem Volk der Menschen, Eurer zweiten Hälfte. Ich will ganz sicher nicht dafür verantwortlich sein, dass Ihr fallt und mit Euch alle anderen. – Gebt sie frei!“, wandte er sich an die Männer, die mit gezogenen Waffen neben der Gefesselten standen. Es wurde laut. „Denkt nach, bevor ihr nach dem Tod verlangt! Denn es könnte auch der eure sein.“ Dann trieb er Navateg, der die Schlüssel für die Eisen hatte, zu den beiden Angeketteten. Widerwillig folgte er dem Befehl. Es hämmerte weiterhin furchtbar in seiner Hand. Der Hals würde selbst in ein paar Tagen noch von der kräftigen Umklammerung zeugen. Hass lag in seinen Augen, als er jetzt an die gefangene Kriegerin trat. Möglichst unsanft löste er schließlich ihre Fesseln.
„Habt Dank“, lächelte sie ihm entgegen, obwohl es ihr gar nicht danach war. „Herr, ich danke Euch, dass Ihr uns freigebt. Bitte gestattet, dass ich jetzt nach meinen Freunden sehe.“
„Unser Heiler hat sie bereits versorgt. Doch fürchte ich, konnte er nicht viel helfen. – Sagt, Ihr nennt sie wirklich Freunde?“
„Und zwar die Besten, die man sich an seiner Seite wünschen kann. Warum seid Ihr verwundert über die Freundschaft zwischen Elben und Menschen? Es gibt einige Orte, an denen sie sogar gemeinsam leben.“ Ohne auf Antwort zu warten, eilte sie zu Therani und Nirek. Die lagen in einem kleinen Raum ganz in der Nähe. Die Wachen, die zugegen waren, wurden endlich auch hier abgezogen. Lewyn sah sich die Wunden an und wurde traurig. Nirek hatte eine abgebrochene Pfeilspitze in der Brust. Der Heiler hatte nicht gewagt sie zu entfernen. Und Therani? Der rang ebenfalls mit dem Tod. Beide Männer lagen reglos auf ihren Lagern.
„Soh’Hmil, schnell! Ich brauche deine Hilfe. Du musst den Pfeil entfernen. Er bringt ihn um.“
„So töte ich ihn. Du bist geübter in der Wundversorgung.“
„Dann halte ihn fest.“ Sie atmete tief durch. Sie hatte ihre ganze Kraft für die Heilung der Freunde sparen wollen. Aber der Heerführer wusste, dass sie die geschickteren Hände hatte.
„Tu es bitte nicht. Nutzt du deine Kraft für einen Zauber, wirst du viele Tage lang sehr schwach sein. Und ich möchte nicht in Shin’anur verweilen. Das dunkle Gift hat hier schon zu viele Herzen erreicht.“
„Versuche ich es nicht, nehmen wir noch heute Abschied von unseren Freunden.“
„Denke an Umodis’ Worte. Du kannst leider nicht
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