Lewyn - Die Halbelbin: Reise durch Garnadkan (German Edition)
Eingebung folgend, nahm Cadar der Bewusstlosen die erbeuteten Gegenstände ab. Sein Blick ruhte auf ihnen. Dann hielt er beide gegeneinander und sah sich bestätigt. Die unregelmäßigen Kronen waren so gearbeitet, dass sie in einer bestimmten Position ineinander greifen konnten.
Der Mensch wurde von der Gepeinigten gestoßen, während die jeweils neun Zacken einen Hauch silbriger Luft entließen. Diese bewegten sich auf die leblos erscheinende Kriegerin zu. Sanft hüllten die Bänder den geschundenen Leib in ihre Helligkeit. Fast glaubte der Renaorianer, die Flammen des Lebens würden ihre Kräfte entfalten. Nach einiger Zeit gab die glitzernde Luft den Blick wieder frei. Lewyn kam daraus unversehrt zum Vorschein. Nichts erinnerte an das gerade Geschehene.
Ein Freudenschrei verließ den Mund des sich sorgenden Vaters. Vorsichtig näherte er sich, um sein Kind dann in die Arme zu schließen. Tränen des unfassbaren Glücks rannen aus seinen Augen. Doch erstrahlten sie freudig, als ihm seine Tochter kurz darauf recht munter entgegensah.
„Tränen? Ist es wirklich so furchtbar, dass ich weiterhin an deiner Seite verbleiben werde?“ Sie grinste ihm entgegen. Und da vermutete er, dass sie mit diesen oder ähnlichen Ereignissen gerechnet hatte. Er war froh, dass sie damit Recht behielt. Sie hingegen war nun endgültig sicher, dass der Mann aus Wyndor, der Mann der von Naria, ihrer Mutter, so sehr geliebt wurde, frei von jeglicher Dunkelheit war. Er war ein Vater, der an der Seite seiner Tochter sein wollte, um ihr in der Not zu helfen, sie zu schützen. Dankbar lächelnd schaute sie ihm in die grünen Augen. Und wieder berührten die ihr Innerstes.
„Du hättest mich warnen können“, meinte er mit Vorwurf in der Stimme. Doch war das schnell vorbei. Sein Blick sagte etwas anderes. Abermals schloss er die Dreiundzwanzigjährige fest in seine Arme. „Ich glaubte, dich verloren zu haben. Die Bilder, die sich mir zeigten, waren unendlich grausam. Ich sah dich langsam sterben.“
„Du sahst mich brennen. Ich fühlte es. Hoffen wir, dass uns dieser Ort das letzte Mal zum Narren hielt. Ich bin nicht begierig darauf, noch mehr davon zu bekommen.“ Die Kriegerin hatte sich erhoben und betrachtete den Himmel.
„Schnell, sonst war alles vergebens!“ Rasch hatten beide die Entfernung zu dem zweiflügeligen Tor überbrückt. Während sich Cadar der rechten Seite zuwandte, eilte die Erbin der Macht zu der anderen. Jeder hielt eine der Kronen in der Hand.
„Gleichzeitig?“ Beide hatten unterdessen nachgesehen, welches wohl die richtige Position war, in der die Zacken in die Löcher eingebracht werden mussten. Sicher gab es nur einen Versuch. – Sie nickte.
Die Erbin der Macht
Quietschend, ächzend und kratzend gab das Tor nach. Die Flügel schoben sich schwerfällig auseinander und machten endlich den Weg in das Gebäude frei. Dunkel gähnte den Besuchern die Größe des Raumes entgegen. Dabei blieb es aber nicht. Die Pforte war noch nicht völlig geöffnet, als sie in ihrer ohnehin schon langsamen Bewegung gebremst wurde. Irgendetwas musste den Weg versperren. Kurz darauf war ein Poltern zu hören, so als ob etwas zu Boden fiel. Kleine Fünkchen waren an beiden Seiten in der Finsternis zu erkennen. Von diesen Stellen aus begannen sich nun feurige Bänder auszubreiten. Durch kleine Rinnen in der Wand, gefüllt mit Öl, setzte sich die Helligkeit bis in den hintersten Winkel des Raumes fort. Ein schmaler Lauf im Boden erhellte auch den mittleren Bereich. Diese Flammen hielten gerade auf eine Vertiefung im Zentrum der Halle zu. Als dieses erreicht war, erhob sich ein ziemlich großer Feuerball. Hier umschloss er aber keine Kronen. Dennoch schien er etwas zu schützen. Die beiden Eintretenden konnten rasch den Bären und die Schlange erkennen. Die Tiere blickten der Halbelbin entgegen und neigten ihr Haupt.
„Iaschtah! Das sieht ganz so aus, als müsste ich mir schon wieder die Hände verbrennen.“
„Eine weitere Prüfung. Aber folgst du ihr nicht, ist die Reise hier beendet.“ Cadar ahnte, dass sich seine Tochter zu den beiden magischen Tieren begeben musste, wollte sie erfahren, was es mit diesem Ort auf sich hatte. Vielleicht wurde ihr ein weiterer Weg gewiesen. Wahrscheinlicher aber war, dass sie in Farusia an Stärke gewinnen würde.
„Ich werde doch jetzt nicht aufgeben. Dafür habe ich in dieser Stadt der Toten schon zu viel gegeben.“ Langsam, äußerst widerwillig, näherte sie sich dem tobenden
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