Lewyn - Die Halbelbin: Reise durch Garnadkan (German Edition)
erblicken.
„Sicher ist der Gebrauch unserer Fähigkeiten auch hier nicht gestattet. Wir müssen so hinaufgelangen.“ Er stand hinter ihr und kratzte sich an seinem unterdessen bärtigen Kinn.
„Wie stark bist du? Wirst du mich heben und noch in die Höhe drücken können? Mit ein wenig Schwung sollte ich in der Lage sein, mich bis zum Rand des Daches zu schnellen. Von da aus werde ich den Feuerball erreichen. Sicher ist der ohnehin nur mein Ziel.“
„Du verlangst nicht gerade wenig. Das ist keine geringe Höhe.“
„Ich weiß. Aber die Säulen sind zu dick, als dass ich an ihnen emporklettern könnte. Und anders, als über die säulengestützte Decke, werde ich kaum an die beiden Kronen gelangen.“
„Hm. Auch das wird nicht einfach werden. Du hast nicht zufällig etwas von eurer Tesnelsalbe dabei? Sie scheint ein wahres Wundermittel zu sein.“ Von seinen Verbrennungen waren nicht die geringsten Narben zurückgeblieben. Aber ob die Salbe hier wirklich von Nutzen gewesen wäre, war sehr fraglich. Das Feuer auf der Spitze konnte nur magischen Ursprungs sein.
„Ich fürchte, mir wird wieder einmal furchtbar heiß werden.“ Flink war sie auf die Schultern des gut Fünfzigjährigen gelangt. Der legte seine Hände unter ihre Füße und holte tief Luft. Beim Ausatmen drückte er seine Arme mit möglichst viel Kraft nach oben. Die übertrug sich auf Lewyn, die sich mit Hilfe eines Saltos in die Höhe schnellte. Kurz darauf hing sie an der Steindecke. Relativ mühelos schwang sie sogleich ihre Beine zur Seite und befand sich damit auf dem Dach.
„Die Hungerei der letzten Tage hat sich bezahlt gemacht, mein Kind. Du bist leicht wie eine Feder. Eigentlich hättest du dich gleich bis zur Spitze schnellen können. Schwung dafür habe ich dir genug gegeben“, grinste er zu ihr hinauf.
„Als Vater musst du mir solch wichtige Dinge doch sagen. Ich konnte nicht ahnen, dass dies dein Bestreben war.“ Während die Magierin ihm die Antwort entgegenrief, war sie an einer der schräg liegenden Säulen angelangt. Schon hier spürte sie die enorme Hitze ihres augenblicklichen Ziels. Aber es half alles Zögern nichts. Sie musste da hinauf. Mit beiden Händen griff die junge Frau um die schmaleren Stützen, während sie sich mit den Füßen dagegenpresste. Langsam, acht gebend, die Spannung nicht zu verlieren, kam sie vorwärts. Als die Hitze begann unerträglich zu werden, dachte sie an das, was vom Erreichen der Kronen abhing. Näher und näher gelangte sie dem tobenden Feuer. Der widerliche Geruch, der ihr bald in die Nase stieg, stammte von ihrer versengten Haut. Rasch zeigten sich erste Blasen, die sich dann auch schnell geöffnet hatten. Ihr langes schwarzes Haar war längst ein Opfer der Flammen. Immer schwerer wurde es, den fürchterlichen Schmerzen zu widerstehen, nicht einfach loszulassen. Es kostete sie unendlich viel Überwindung, ihre Hände, nur noch aus offenem verbrannten Fleisch bestehend, um das Holz zu legen. Die Augen, die die Erbin der Macht nach unten gerichtet hielt, schienen in ihren Höhlen einfach zu verdampfen. Die Feuerberge, die sie einst zum Schlafen gebracht hatte, waren der reinste Spaziergang dagegen.
Endlich! Sie hatte die obere Spitze erreicht und griff sogleich ohne zu zögern hinein. Sie hatte ohnehin nichts mehr zu verlieren. Allerdings hoffte die Gequälte darauf, dass sich dies alles nach Betreten des Bodens als ein ebensolcher Spuk erwies, wie der Kampf zwischen dem Bären und der Schlange. Obwohl, die hatten sich letztlich feurig glühend aufgelöst. Dieses Bestreben für sich in Anspruch zu nehmen, lag ihr allerdings äußerst fern.
Je eine Hand hatte nach je einer Krone gegriffen und die auch erlangen können. Ihr selbst wurde damit aber jeglicher Halt entzogen. Sofort ging es abwärts. Zuerst landete die Halbelbin in der Mitte des Steindaches. Von da aus schleppte sie sich zum Rand und ließ sich einfach fallen. Der Mann aus Wyndor, der das ganze Treiben entsetzt hatte beobachten müssen, fing seine Tochter auf. Schlapp hing sie in seinen Armen, jedoch noch immer die Kronen umklammernd.
„Schicksal, wie bist du doch grausam! Ihr Tod kann unmöglich dein Wille sein!“ Er fluchte ohne Unterlass, während er verzweifelt versuchte, der geliebten jungen Frau zu helfen. Doch was sollte er ohne Magie gegen dieses Ausmaß an Verbrennung ausrichten können? Sein Kind war nicht annähernd mehr zu erkennen. Fleisch und letzte Hautreste hingen in Fetzen von ihren Knochen.
Einer
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