Lewyn - Die Halbelbin: Reise durch Garnadkan (German Edition)
der körperliche Schmerz, der versucht, mich von der Hilflosigkeit abzulenken. Spüre ich die Wunden nicht, wird mich der Wahnsinn greifen. Bitte, ich brauche das jetzt.“
„Wird dir nicht geholfen, wirst du Vater und Bruder bald folgen. Wir haben schon so viele Tote zu beklagen. Gehe nicht auch du noch diesen Weg.“ Sie ließ sich zu dem jungen Gitalaner nieder, der wieder am Boden hockte, und legte ihm eine Hand auf die Schulter. Das Zittern in seinem Körper wurde etwas schwächer. Kurz darauf drehte sich der junge Mann zu ihr, legte seine Hände um das Genick der mit ihm Fühlenden und seinen Kopf gegen deren Stirn.
„Hab Dank für deine Freundschaft. Sie bedeutete vor allem meinem Vater sehr viel. Ein Gefühl dieser Art hegte er für niemanden sonst so tief. Auch Berando lernte dich in der knappen Zeit, die uns gemeinsam gegeben war, wie eine Schwester lieben. Danke, dass du auch jetzt für sie da bist. Danke, dass du bei mir bist.“
Stunden der stillen Trauer folgten. Wobei sich Nagalenos und Soh’Hmil nach einiger Zeit jedoch ihrem Heer zuwenden mussten. Bis zur Rückkehr nach Let’weden war noch viel zu tun. Schweren Herzens mussten sie alle ihre Gefallenen hier im Elra’talagk lassen. Es waren zu viele und es war zu weit, um sie der heimatlichen Erde übergeben zu können. Wie den Elben, so erging es ebenfalls den Zwergen und den Menschen. Nevori sorgte dafür, dass seine Toten ein Stück in die Berge gebracht wurden. Dort gab es wenigstens Erinnerungen an die Heimat. Kalranas sorgte mit seinem Heerführer am Fuße der Berge für eine ehrenvolle Bestattung derer, die nicht mit ihnen zurückkehren konnten. Auch Enoandt konnte nichts daran ändern, dass ihn viel zu wenige zurück nach Burdlan begleiteten. Aschiel würde Teglamon zwar vom Sieg berichten, aber gleichzeitig davon, weshalb das grüne Gebirge jetzt der Friedhof Garnadkans war.
Die Sonne schob sich langsam das zweite Mal nach dem großen Kampf blutrot über den Horizont. Es war der erste wärmere Tag des neuen Jahres. So brachte der keinen Schnee, sondern heftigen eiskalten Regen mit sich.
„Wieder einmal beweint der Himmel die zahlreichen Toten.“ Es fiel der Magierin schwer, ihren Kopf zu heben. Noch immer war sie ziemlich schwach. Das aber war wohl kaum der Grund dafür. Es waren die vielen Gefallenen. Und die Männer, die bei ihr waren, kannten ihre Gedanken.
„Es ist wie einst in Leranoth, als sich Cadar deinem Zugriff durch Flucht entzog. Gleiches tat der schlafende Berg vor der Stadt der Könige. Dir wurde nicht die Möglichkeit gegeben, ihn dort zu besiegen. Ebenso erhieltest du nicht die Gelegenheit, das Heer des einen Dunklen aufzuhalten. Du hattest nicht die Chance den Tod unserer Männer zu verhindern. Lewyn, bitte, es ist nicht deine Schuld.“
„Doch, ist es! Als ich zum Daras’enwa zog, den schlafenden Berg zu finden, meinte ich mir ein wenig Ruhe gönnen zu müssen. Ich Närrin! Wie konnte ich so sehr die Gefahr verkennen! Hätte ich es nicht getan, wäre Granderakg bereits dort gefallen. Ich habe ihn nur knapp verfehlt.“
„Das ist nicht gesagt. Vielleicht hätte er dich dann in deinen Untergang getrieben. Ich kenne dich. Ich weiß, dass du dir immer erst dann eine Pause erlaubst, wenn sonst an ein Weiterkommen nicht mehr zu denken ist. Wärest du deinem Weg ohne Rast gefolgt, hätte dich deine Schwäche den Sieg gekostet. Dann wären die Toten auf diesem Schlachtfeld erst der Anfang. Es ist nicht dein Versagen.“ Soh’Hmil wollte die Freundin wieder in seine Arme nehmen. Sie aber entzog sich ihm diesmal. Wie einst nach der Schlacht um Leranoth, suchte sie wieder den Weg zwischen die Toten. Hier aber fand sie keine Feinde mehr, bei denen sie mit ihrer Klinge auch ihrer Wut nachgeben konnte. Die getöteten Gegner waren bereits allesamt auf riesigen Scheiterhaufen zu Asche geworden. Die Gefallenen der verbündeten Heerscharen waren zum Großteil in den kalten Boden des Elra’talagk gebettet. Die Überlebenden des Bündnisses rüsteten nun zur Heimkehr. Die nächsten Tage sollten ihren Aufbruch sehen.
Soh’Hmil suchte schon eine ganze Weile nach der Freundin. Er machte sich große Sorgen. Trotz aller Gespräche, so vieler Argumente, suchte sie weiterhin die Schuld für die hohen Verluste bei sich. Endlich entdeckte er sie. Zusammengekauert hockte die Vierundzwanzigjährige an dem gewaltigen Erdloch. Starr war ihr Blick in dessen Tiefe gerichtet. Der Elb schlug einen kleinen Bogen, so dass er sich von vorn
Weitere Kostenlose Bücher