Lewyn - Die Halbelbin: Reise durch Garnadkan (German Edition)
näherte und sie ihn mitbekam. Still setzte der Freund sich zur Erbin der Macht. Ebenso ruhig verharrte er lange Zeit neben ihr. Er wollte sie nicht stören, ihr aber zeigen, dass sie jetzt nicht allein stand.
„Habe ich immer richtig entschieden, ausreichend Verstand bewiesen? Ich fürchte, das habe ich nicht. Die Wahl, die ich traf, hat so vielen das Leben gekostet. Zuerst verließ mich mein Vater. Mein Gefühl sagt mir, dass ich ihn nicht wiedersehe.“
„Vielleicht aber doch. Diese schlimmen Ahnungen kommen sicher von der augenblicklich trostlosen Lage. Wenn ich an die vielen Toten denke, will die Hoffnung sofort zurückweichen.“
„Die nicht zu verlieren, ist in der Tat sehr schwer geworden, auch wenn ich immer sagte, dass sie uns bis zuletzt begleiten muss. Doch außer dem Verlust meines Vaters betrübt mich, dass Nhaslin verletzt ist und ich deshalb Regos’ Freundschaft zu verlieren drohe. Therani und Berando sind bereits ins Reich der Toten eingegangen, während Thelan noch um sein Überleben kämpft. Ihr, meine Freunde, ihr alle tragt tiefe Wunden und die Trauer ist der Begleiter eines jeden Einzelnen. Kann dies das Resultat von richtigen Entscheidungen sein? Ich glaube nicht.“
„Und doch war es so richtig. Wärst du einen anderen Weg gegangen, gäbe es bald niemanden mehr, der die Gefallenen betrauern könnte. Es war der Wille des Schicksals, dass du Garnadkan vor seinem Untergang bewarst. Das hast du getan. Wir alle ahnten, dass der Kampf dafür einen hohen Preis fordern würde, von jedem.“ Soh’Hmil sah von der Seite her zu der lieben Freundin. „Lewyn, lasse dein Herz nicht bei den Toten. Du musst stark sein für die, die noch unter uns weilen, für den Weg, den es weiter zu beschreiten gilt. Die Gefallenen aber rauben dir die Kraft dafür. Für den letzten Pfad und dein Leben.“
„Welches Leben … das meine besteht nur aus Kampf und Tod! Darauf kann ich verzichten. Ich habe nicht mehr die Kraft, zusehen zu müssen, wie das Unheil immer mehr zu meinem Begleiter wird. Ich kann nicht mehr. Meine Kräfte haben sich erschöpft“, sagte sie leise und verbittert. Als Soh’Hmil ihr Trost an seiner Schulter gab, sträubte sie sich diesmal nicht dagegen. Seine innige Freundschaft tat ihr gerade jetzt unendlich gut.
„Thelan, Nirek und Nerair bedürfen unserer Unterstützung. Ich glaube nicht, dass wir sie ihnen noch länger entziehen sollten.“ Stunden waren vergangen, in denen beide reglos und still verharrt hatten. Aber der Elb erinnerte sich endlich wieder der Freunde. Sicher bedurften auch die des Zuspruchs und der Gewissheit, in dieser schweren Zeit nicht allein zu sein.
„Danke Soh’Hmil. Danke, dass du stark genug für uns beide bist.“ Sie erhob sich und gemeinsam gingen sie langsam zu den Trauernden. Die befanden sich noch immer neben den leblosen Körpern. Sie brachten es einfach nicht fertig, sie der Erde zu übergeben. Das Unfassbare konnten und wollten sie einfach nicht begreifen.
Der vierte Morgen nach der Schlacht brach an. Die Toten waren entsprechend der Rieten auf ihre letzte Reise geschickt wurden. Die Lebenden aber hofften darauf, nun wieder ihrer Heimat entgegenmarschieren zu können. Während Zwerge und Menschen kurz vor Antritt ihres Weges standen, warteten die Elben weiterhin auf ihren Heerführer. Der stand bei Nirek und den beiden jungen Gitalanern. Bei denen war das Schicksal des Einen noch immer nicht entschieden. Thelan verweigerte nach wie vor die Heilung.
Die Trauernden aber saßen weiterhin bei den beiden Gefallenen. Es war ihnen einfach unmöglich, von deren Seite zu weichen, sich zu trennen. Den Tod der Familie und der geliebten Freunde zu akzeptieren, fiel unendlich schwer.
Aus den angrenzenden Bergen heraus kam Lewyn zu den Freunden. Bevor sie dort Stellung bezogen hatte, um nach eventuell zurückkehrenden Feinden Ausschau zu halten, nahm sie Abschied von Hergew und seinen Kindern. Sie war ihnen für die geleistete Hilfe überaus dankbar. Die junge Frau wusste, dass sie ohne Eingreifen der Drachen schwerlich eine Chance gegen den schlafenden Berg gehabt hätte. Auch das Bündnis hätte kaum gegen den übermächtigen Feind bestehen können. Nun entließ sie die großen Echsen in das Daragon’fenn in der Gewissheit, sie jeder Zeit um weitere Hilfe bitten zu dürfen, wäre diese vonnöten. Jetzt aber, nach der Vernichtung Granderakgs, konnte auch das kleine Volk in die Heimat zurück. Die Lande der Elben bedurften ihres Schutzes nicht mehr. Der
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