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Lexikon der Oeko-Irrtuemer

Lexikon der Oeko-Irrtuemer

Titel: Lexikon der Oeko-Irrtuemer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk und Miersch Maxeiner
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Rechenbeispiel: Eine herkömmliche Diesellokomotive verbraucht auf 100 Kilometer etwa 300 Liter Sprit. Sind nur zehn Fahrgäste an Bord, so fahren diese mit 30 Litern pro 100 Kilometer durchs Land. Erst ab 50 Fahrgästen liegt der Verbrauch mit etwa sechs Litern pro Person und 100 Kilometer gleichauf mit einem durchschnittlich ausgelasteten Personenwagen (1,7 Personen). Nahverkehrszüge brauchen - einer Studie der Ludwig-Bölkow-Stiftung zufolge - derzeit aber 7,2 Liter pro Fahrgast und 100 Kilometer, also mehr als die meisten Autos. 2 Aus diesem Grund lohnt es sich auf schlecht ausgelasteten Strecken mitunter weder ökonomisch noch ökologisch, den Bahnverkehr aufrechtzuerhalten. (Manchmal allerdings gewinnt man den Eindruck, daß die Fahrgäste systematisch vergrault werden.) Nur wenn es gelingt, mit besserem Service und attraktiven Angeboten genügend Autonutzer zum Umsteigen zu bewegen, wird die Energiebilanz der Bahn wirklich positiv.
      
    1 Deutsche Bahn, Umweltbericht 1996. 2 Der Spiegel Nr. 10/1998.

»Das Auto wird vom Staat gegenüber der Bahn bevorzugt«
      
    Mit Vorsicht ist das Argument zu genießen, die tatsächlichen, gesellschaftlichen Kosten des Autofahrens (also inklusive Krankheitskosten durch Unfälle, Lärm, Luftverschmutzung) würden nicht in Anrechnung gebracht und bei tatsächlicher Berechnung dieser »externen Kosten« sei der Bahnverkehr auch ökonomisch die günstigere Alternative - oder anders ausgedrückt: die Bahn werde ökonomisch benachteiligt. Richtig daran ist, daß die externen Kosten des Straßenverkehrs dem Autofahrer nicht direkt und in der tatsächlichen Höhe in Rechnung gestellt werden. Falsch ist hingegen der Schluß, Bahnfahren sei bei Einbeziehung aller Kosten die ökonomischere Alternative. Darauf deutet eine großangelegte Untersuchung der drei (keineswegs besonders autofreundlichen) Institute Infas, Econcept und Prognos in der Schweiz hin. Die Verhältnisse in der Schweiz sind nicht unbedingt auf Deutschland übertragbar, aber im Trend sicherlich auch hierzulande zutreffend.
    Zunächst einmal kam nichts Neues heraus: Mobilität ist viel zu billig, und das führt zur allgemeinen Verschwendung von Ressourcen. Dann aber wird es überraschend: Nicht nur Benzin, Diesel und Kerosin sind zu billig, auch die gute alte Bahn müßte teurer werden. Und zwar viel teurer. Der Preis für eine Rückfahrkarte zwischen Zürich und Genf müßte um 140 Prozent steigen, denn um diesen Anteil subventioniert der Staat das Verkehrssystem. Für das Auto wird ein Spritpreis von 3,50 bis 4,50 Mark veranschlagt, um die externen Kosten (Infrastruktur, Unfälle, Umwelt) zu decken. Dies wirkt sich in den für den Autobesitzer anfallenden hohen Gesamtkosten (Kauf, Werteverlust, Reparaturen, Versicherung, Steuern) aber nur mäßig aus. Die Autofahrt auf der Bezugsstrecke würde bei Umwälzung aller Kosten gegenüber heute um 16 Prozent teurer. Fliegen würde sich gar nur um fünf Prozent verteuern. 1
    Die Bahn fährt in Deutschland billiger als in der Schweiz, schon weil nicht so viele Tunnel und Brücken gebaut werden müssen. Seit 1993 muß die Bahn in Deutschland auch die Kosten für den Erhalt und den Betrieb des Schienennetzes bezahlen. Dennoch subventioniert der Steuerzahler die Bahn mit gewaltigen Summen - beispielsweise durch die Übernahme aller bis zur Bahnreform angehäuften Alt-Schulden. Ferner muß der Regionalverkehr von den Bundesländern bestellt und bezahlt werden. Hierfür schießt der Bund jährlich 12 Milliarden Mark zu. Die externen Kosten des Autos werden laut einer gemeinsamen Studie des Worldwide Fund for Nature (WWF) und der Bahn in Deutschland mit 7,48 Mark pro 100 Personenkilometer veranschlagt. 2 Die Gesamtkosten für 100 Autokilometer liegen aber heute für ein Fahrzeug der unteren Mittelklasse schon bei 50 bis 60 Mark. Die wahren Kosten für Autofahrer lägen also mit zusätzlich rund 20 Prozent nur relativ wenig höher als heute. Was spricht eigentlich dagegen, sie einzufordern?
    Vielleicht das: Würden gleichzeitig die wahren Kosten für die Bahn angesetzt und auf den Fahrpreis umgeschlagen, müßten die Preise - siehe Schweiz - prozentual wohl noch stärker steigen als beim Auto. Deshalb sollte man das Argument mit der Kostenwahrheit lieber in der Mottenkiste verschwinden lassen. Es führt kein Weg an einer ganz bewußten gesellschaftlichen Entscheidung für die Bahn vorbei. Motto: Sie ist uns lieb und teuer.
      
    1 Facts Nr. 32/1996, unter Bezug auf: Infas,

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