Lexikon der Oeko-Irrtuemer
große Herausforderung von heute heißt Inwertsetzung der Natur.« Bei Politikern der Urlaubsregionen setzt Iwand mit der Wirtschaftskraft des TUI-Konzerns im Rücken ökologische Ziele durch. In Griechenland streitet er für einen neuen Meeres-Nationalpark, in der Türkei gegen umweltschädlichen Goldabbau. »Wenn wir den Kerosinverbrauch weiter senken«, sagt der ehemalige LTU-Umweltbeauftragte Thomas Immelmann, »wird es in Zukunft schwierig, noch stichhaltige Umweltargumente gegen Urlaubsreisen vorzubringen.« 1996 verbrauchte der durchschnittliche LTU-Fluggast 3,2 Liter Kerosin pro 100 km, 1991 waren es noch 4,3. Immelmann glaubt, daß mit neuer Technik eine weitere Reduktion um 30 bis 40 Prozent möglich ist.
Einer hatte das ökologische Potential im Tourismus schon lange vorhergesehen: Bernhard Grzimek. In seiner Sendung »Ein Platz für Tiere« verkündete der legendäre Fernsehzoologe in den sechziger Jahren, es gebe schon bald organisierte Gruppenreisen zu den Wildreservaten Ostafrikas. Grzimek hatte die Meldung damals frei erfunden. Doch ein paar Monate später gab es solche Touren wirklich, denn Reiseveranstalter wollten ihrer vermeintlichen Konkurrenz zuvorkommen. Mit Grzimeks Trick konnte die Serengeti weiterleben.
1 Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ), Tourismus und Schutz der biologischen Vielfalt, 1997. 2 G. Patzelt, Modellstudie Ötztal - Landschaftsgeschichte im Hochgebirgsraum, 1996. 3 Die Zeit Nr. 49/1995.
Perspektiven
Mobilität war im Laufe der Evolution stets die Antwort auf eine Mangelsituation. Und vielfach, etwa bei den Migrationsströmen der Armen, ist sie es heute noch. Die technische Entwicklung vermochte die menschliche Mobilität enorm zu steigern. So entstand aus der guten alten Mobilität der moderne Verkehr. Wir überwinden immer größere Entfernungen in immer kürzerer Zeit mit immer geringerem körperlichen Aufwand. Das brachte die Menschen auf die Idee, sie könnten alles zugleich haben: Wohnen auf dem Lande, Arbeiten in der Stadt, Ferien auf Mallorca. Und am Urlaubsort wartet bereits der Mietwagen. Immer mehr Reisende wollen partout nicht mehr ankommen. Sie werden nicht von einer Mangelsituation getrieben, sondern von der Angst, etwas zu versäumen. Das Prinzip Mobilität läuft Gefahr, am eigenen Erfolg zu scheitern, und nimmt beispielsweise in Form des Massenverkehrs schicksalhafte Züge an.
Doch wie läßt sich der Transport von Menschen, Waren und Informationen besser organisieren, intelligenter lenken und mit weniger Energie bewerkstelligen? Stellen wir uns dazu eine riesige Schüssel Spaghetti vor: Das ist das globale Mobilitäts-Geflecht. Ein großes vernetztes Knäuel, bei dem keiner so richtig weiß, wo er den Anfang machen soll und was am Ende daran hängt. Die Mobilität wird sich neue, bessere Wege suchen, aber aus diesen neuen Wegen werden auch wieder neue Probleme entstehen. Es wird kein Weltwochenende geben, an dem alles getan ist wie am biblischen siebten Tag. Verkehr und Mobilität bleiben eine große Baustelle, Patentrezepte gibt es nicht.
Es kann aber nicht schaden, sich zwischendurch einmal darauf zu besinnen, welche Probleme die Mobilität und der (derzeit weiter wachsende) Verkehr tatsächlich verursachen. Gegenwärtig hat das Argument der drohenden Klimakatastrophe aufgrund der Kohlendioxid-Emissionen Konjunktur. Hypothetische Horrorszenarien unterliegen jedoch oft einer raschen Revision - wie wir immer wieder lernen durften. Tatsächlich bringen sich die Menschen ja nicht auf dem Umweg über die Klimakatastrophe um, sondern ganz direkt am Chausseebaum. Der tägliche Lärm, der Gestank und der Stau sind konkrete und unbestreitbare Probleme. Und als Grund für Sparsamkeit und die Suche nach Energiealternativen sollte allein schon die politische Instabilität in vielen Erdöl exportierenden Staaten genügen. Die Bundesrepublik selbst verfügt ja nur über Kohle. Sparsamkeit macht bei uns einfach auch ökonomisch Sinn.
Die Attraktivität des Autos wird in zunehmendem Maße vom Erfolg seiner Alternativen abhängen. Ohne Busse und Bahnen bricht auch der Straßenverkehr zusammen - man denke nur an die Nahverkehrs-Streiks in Paris. Die Interessen der Autohersteller werden dadurch auf den Kopf gestellt. Sie werden das Umsteigen zwischen den verschiedenen Verkehrsmitteln fördern. Statt Autos werden sie irgendwann Mobilität in Kilometerleistung verkaufen. Und sie werden neue Nutzungsformen wie das Car-Sharing fördern oder selbst
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