Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lexikon der Oeko-Irrtuemer

Lexikon der Oeko-Irrtuemer

Titel: Lexikon der Oeko-Irrtuemer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk und Miersch Maxeiner
Vom Netzwerk:
nur zu 33 Prozent ausgelastet. Die 14 Anlagen des Landes Nordrhein-Westfalen könnten 700000 Tonnen zusätzlichen Abfall gebrauchen. 5
    Eine ähnliche Mangelsituation ist für die großen Beseitigungs- und Verwertungsanlagen der chemischen Industrie entstanden. »Die fallen über jedes Kilo Sondermüll her, das sie noch kriegen können«, berichtet ein Experte des Statistischen Bundesamtes. Denn moderne Produktionsverfahren erzeugen kaum noch Abfälle. Eine Frankfurter Pharmafirma hat zum Beispiel für die Herstellung eines wichtigen Antibiotika-Grundstoffes ein völlig neues Verfahren entwickelt. Mit der neuen Anlage sanken die Entsorgungskosten um 90 Prozent. Abfallverbrennung, Abwasser- und Abgasreinigung werden kaum mehr benötigt. In Nordrhein-Westfalen, dem größten Giftmüllproduzenten unter den Bundesländern, ging die Gesamtmenge des Industrieabfalls schon Anfang der neunziger Jahre um rund 30 Prozent zurück. 6
    Während die Müllmenge sinkt, steigt die Zahl der Arbeitsplätze: Die deutsche Entsorgungsbranche ist mit über 2000 Betrieben, einem Umsatz von 80 Milliarden Mark und 240000 Beschäftigten zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor geworden. 7
      
    1 Der Spiegel Nr. 39/1996. 2 BUND-Presseinformation, 4. 2. 1997. 3 Bundesumweltministerium (BMU), Presseerklärung, 25. 1. 1996. 4 Der Spiegel Nr. 39/1996. 5 Stern Nr. 48/1997. 6 Der Spiegel Nr. 22/1996. 7 BMU, Presseerklärung, 6. 10. 1997.

»Weniger Müll bedeutet weniger Gebühren«
      
    Der Müllberg schrumpft, das Recycling floriert, also müßte die kommunale Abfallentsorgung doch eigentlich billiger werden. Das Gegenteil ist eingetreten: Die Bürger werden für weniger Dreck mehr zur Kasse gebeten. Im Bundesdurchschnitt haben sich die Müllgebühren innerhalb von fünf Jahren fast verdoppelt. 1 Das liegt unter anderem daran, daß Fehlplanungen aus der Vergangenheit abbezahlt werden müssen. Denn obwohl die Müllverbrennungsanlagen durch den Siegeszug des Recyclings vielfach unter Müllknappheit leiden, werden sie weiter betrieben. Die hohen Fixkosten für diese unausgelasteten Anlagen treiben die kommunalen Gebühren hoch. Das »Greenpeace-Magazin« verglich die Situation mit den Energieprognosen der siebziger Jahre. Damals wurden die Einsparpotentiale ebenfalls drastisch unterschätzt und für etliche Milliarden Mark überflüssige Kraftwerke gebaut. 2
    Einer BUND-Studie zufolge bieten manche Großstädte ihren Bürgern deshalb kaum Anreize, das Recycling zu unterstützen, weil sie unausgelastete Verbrennungsanlagen mit Restmüll füttern müssen. So modernisierte und erweiterte der Umlandverband Frankfurt für 209 Millionen Mark seine Müllverbrennungsanlage bei Offenbach. Im Sommer 1997, ein halbes Jahr nach der Eröffnung, mußten die Verantwortlichen zugeben: Ein Viertel der Kapazität wird ungenutzt bleiben, weil Müll fehlt. Wenig später kündigte der Umlandverband an, die Müllgebühren um fast 50 Prozent zu erhöhen. 3
    Neben der Trennungsfreude der Bürger gibt es noch einen zweiten Grund für diesen »Müllmangel«, ein Schlupfloch im staatlichen Regelwerk (»Technische Anleitung Siedlungsabfall«). Der Gesetzgeber gewährt für veraltete Mülldeponien eine Schonfrist bis zum Jahr 2005. Findige Deponiebetreiber nutzen dies aus, um allen Dreck herbeizuschaffen und dann vor Ablauf der Frist zu schließen, um der teuren Sanierung zu entkommen. Dafür locken sie mit Dumpingpreisen. Die alten Müllkippen besitzen oft keine Drainagen und keine Sammelvorrichtungen für Gase und Sickerwasser, sind ökologisch also viel bedenklicher als die mit modernster Technik ausgestatteten, unausgelasteten Verbrennungsanlagen. 4
    Eine Stadt wie Münster in Westfalen, die keine Verbrennungsanlage baute und auf optimale Wiederverwertung aller Reststoffe setzte, liegt mit ihren Müllgebühren (259 Mark pro Jahr) unter dem statistischen Durchschnitt von 320 Mark, den eine dreiköpfige Familie in Deutschland für die Abfallentsorgung zu zahlen hat. 5
    Der Bund der Steuerzahler kritisierte, daß obendrein manche Kommunen die Müllgebühren mißbrauchen, um ihre Haushalte zu konsolidieren. Die Gewinne aus überhöhten Müll- und Abwassergebühren werden genutzt, um Etatdefizite in anderen Bereichen zu decken. So erklärte das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen die Berechnung der Müllgebühren der Stadt Dortmund für rechtswidrig. Mehrere Millionen Mark, mit denen die Stadt ihren Haushalt aufbesserte, wurden den Dortmundern zuviel abgenommen. 6
      
    1 Stern Nr.

Weitere Kostenlose Bücher