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Lexikon der Oeko-Irrtuemer

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Titel: Lexikon der Oeko-Irrtuemer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk und Miersch Maxeiner
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selbst.
    Gepflanzte Wälder sind in der Regel artenärmer, aber nicht ökologisch wertlos. Selbst ein deutscher Försterwald bietet vielen Tieren und Pflanzen Lebensraum. Forstlich genutzte Regenwälder, sogenannte Sekundärwälder, bleiben überaus artenreich. Nur einige spezialisierte Arten, die auf die Kronendächer alter Bäume angewiesen sind, wandern ab. Andere Tiere (zum Beispiel Waldelefanten und Gorillas) ziehen Sekundärwälder vor, weil diese durch den stärkeren Sonneneinfall mehr nahrhaften Unterwuchs bieten. Daher ist es umweltpolitisch zweifelhaft, nur Urwälder als schützenswert zu betrachten. Diese Alles-oder-Nichts-Haltung wird dem ökologischen Wert der Sekundärwälder nicht gerecht. Landhungrigen Plantagenfarmern und Viehzüchtern kommen solche Argumente sehr gelegen, um das Abholzen zu rechtfertigen -Motto: »Es ist ja ohnehin kein echter Urwald mehr, also weg damit.«
    Selbst Holzplantagen sind nicht grundsätzlich schlecht. Wenn natürlicher Wald für Holzplantagen weichen muß, ist dies ein einschneidender ökologischer Verlust. Doch wenn etwa Teakholzplantagen um Urwaldgebiete herum gepflanzt werden, wirken sie wie ein Schutzschild. Sie stellen das Holz zur Verfügung, welches sonst in den Naturwäldern geschlagen würde. Das Forest Stewardship Council, eine internationale Organisation zur Begutachtung ökologischer Holzwirtschaft, erklärt in seinen zehn Grundsätzen, Plantagen könnten »den Druck auf die naturnahen Wälder verringern sowie die Wiederherstellung und den Schutz naturnaher Wälder fördern«. 2
    Darüber hinaus verwandeln sich manche Plantagen, wenn sie nicht mehr bewirtschaftet werden, überraschend schnell in Dschungel, dem nur noch Experten ansehen, daß er aus zweiter Hand stammt. Verlassene Kautschukpflanzungen sind nach 20 Jahren kaum mehr von natürlichem Wald zu unterscheiden. Die Nationalparks Südindiens, in denen wilde Elefanten und Tiger leben, waren früher größtenteils Teakplantagen. In Gebieten von Panama, wo heute dichte Regenwälder gedeihen, dehnten sich im frühen 16. Jahrhundert offene Savannen aus. Der traurige Hintergrund dieser Urwaldblüte: Spanische Eroberer ermordeten ganze Indianervölker. Diese hatten in den Jahrhunderten zuvor die Wälder durch Feuer vernichtet. 3 Und sogar der berühmte Wald am Gombe-Fluß, in dem Jane Goodall Schimpansen erforschte, war in der frühen Kolonialzeit eine Kaffee- und Ölpalmenpflanzung.
    Wald kann sich überraschend schnell ausbreiten, wenn er ungestört bleibt. Französische Botaniker ermittelten, daß sich die Eichen nach der letzten Eiszeit in Europa mit einer Geschwindigkeit von 500 Metern im Jahr nordwärts bewegten. 4 Der Feuerökologe Johann Georg Goldammer untersuchte alte Holzkohleschichten in Indonesien und fand heraus, daß seit vielen tausend Jahren der Dschungel immer wieder gebrannt hat. »Die Funde deuten daraufhin, daß abgebrannte Regenwälder sich wieder ausbreiten und regenerieren können«, sagt er. Der Glaube, daß die heutigen Regenwälder seit Urzeiten unberührt wären, sei falsch. 5 Es gibt jedoch gravierende Unterschiede zwischen den verschiedenen Regenwaldgebieten der Erde. Während der amazonische Urwald auf einer überaus dünnen und empfindlichen Humusschicht gedeiht, erleichtern vulkanische Böden in Südostasien eine relativ schnelle Regeneration.
    Neuere Forschungen haben ergeben, daß sogar der traditionelle Wanderfeldbau mit Brandrodung - richtig ausgeführt - weitaus weniger schädlich ist, als allgemein angenommen wird. So fanden Wissenschaftler des Internationalen Instituts für Umwelt und Entwicklung (IIED) in London heraus, daß Bauern auf Sumatra eine Form nachhaltiger Waldwirtschaft durch Brandrodung praktizieren. Nachdem sie ein Stück Wald abgebrannt haben, bauen sie auf der Lichtung zwei Jahre lang Feldfrüchte an, gleichzeitig säen sie Samen von Kautschukbäumen. Nach zehn Jahren kommen sie zurück in das Gebiet, das mittlerweile von Wildpflanzen überwuchert ist, und zapfen den Latex der Kautschukbäume. Fünf Jahre später roden sie das Waldstück erneut. In Thailand zählten die Forscher auf einem Gebiet, welches zehn Jahre zuvor mit Feuer gerodet worden war, 223 Pflanzenarten. In einem vergleichbaren Urwaldstück wuchsen 319 Arten. 6
      
    1 WWF Press Release, 4. 12. 1997. 2 WWF-Fakten, April 1996. 3 St. Budiansky, Nature's Keepers, 1995. 4 Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 29. 10. 1997. 5 Die Zeit Nr. 41/1997. 6 New Scientist vom 15. 11.1997.

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