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Lexikon der Oeko-Irrtuemer

Lexikon der Oeko-Irrtuemer

Titel: Lexikon der Oeko-Irrtuemer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk und Miersch Maxeiner
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wichtigsten Brennstoffe. Mit Rinde deckten die Armen ihre Dächer, und Handwerker gewannen daraus die Ausgangstoffe für das Färben. Die Glashütten benötigten Pottasche, die aus verbranntem Holz gewonnen wurde. Auch Metallhütten verbrauchten ganze Wälder, ebenso die Teer- und Pechbereitung. Zur Gewinnung von 600 Kilogramm Salz benötigte man im Mittelalter neun Kubikmeter Brennholz. Die mit der Salzsiederei verbundene Raubwirtschaft am Wald führte zu verkarsteten Landschaften, wie der Lüneburger Heide, die ihre maximale Ausdehnung im 15. Jahrhundert erreicht hatte. 7
    Als der deutsche Wald in den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts totgeschrieben wurde, und der »Spiegel« die Forstschäden ein »ökologisches Hiroshima« 8 nannte, war das große Sterben der Wälder schon lange vorüber.
      
    1 Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 8. 4. 1998. 2 H. Küster, Geschichte der Landschaft in Mitteleuropa, 1995. 3 Umwelt-Magazin, September 1992. 4 ebd. 5 F.-J. Brüggemeier u. a. (Hrsg.), Industrie - Natur, 1995. 6 H. Jäger, Einführung in die Umweltgeschichte, 1994. 7 ebd. 8 Der Spiegel vom 14. 2. 1983.

»Das Wild frißt den Wald kaputt«
      
    Der oberste Rechnungshof von Bayern ging 1995 der Frage nach, was der Appetit von Rehen, Rothirschen und Gemsen den Steuerzahler kostet. Die Prüfer ermittelten einen Wertverlust von mindestens 34 Millionen Mark, der durch Wildverbiß in den Schutzwäldern der Alpen entsteht. 1 Ähnliche Rechnungen machen Forstleute und Waldbesitzer aller Orten auf. Zäune und andere Schutzmaßnahmen gegen hungrige Huftiere kosten allein im Bayerischen Staatsforst 20 bis 40 Millionen Mark im Jahr. 2
    Seit Anfang der siebziger Jahre tobt der Streit um Bambis und Bäume zwischen Waldschützern und Jägern. Der Vorwurf lautet: Weil sich die Jäger gerne prächtige Trophäen über den Kamin hängen, schießen sie nicht genügend Hirsche und Rehe. Sie warten, bis viele kräftige Männchen herangewachsen sind und ein starkes Geweih gebildet haben, um sie erst dann zu erlegen. An den geweihlosen Weibchen sind sie kaum interessiert und schießen sie viel zu selten. Außerdem bringen sie das Wild mit Fütterungen über den Winter, der unter natürlichen Umständen viele Tiere das Leben kosten würde. So entstehen Überpopulationen von pflanzenfressenden Huftieren im Wald, die Baumtriebe abknabbern und die saftige Rinde von den jungen Bäumen schälen. Folge: Der Waldnachwuchs verkümmert.
    Seit 1934 hat sich die Zahl der Rehe in Deutschland mindestens versechsfacht. 3 Heute erlegen allein die deutschen Autofahrer 100000 Rehe im Jahr. Das sind mehr, als Mitte des letzten Jahrhunderts in ganz Mitteleuropa lebten. 4 Im lichten Kulturforst, der viel Bodenvegetation bietet, finden die Rehe offenbar ihren optimalen Lebensraum und vermehren sich demzufolge wie die sprichwörtlichen Karnickel. Die Forstbehörden der Länder setzten daher in den siebziger und achtziger Jahrer die Abschußquoten herauf, um dem Wildverbiß im Wald Einhalt zu gebieten. Zwischen 1950 und 1980 wurde die Abschußrate von Rehen und Hirschen auf dem Gebiet der alten Bundesländer um 30 bis 40 Prozent gesteigert. 5 Ende der neunziger Jahre meldeten die deutschen Jäger zirka 870000 erlegte Rehe im Jahr. 6
    Das Trommelfeuer im Wald scheint wenig zu nützen. Die Wildschadensinventuren einiger Bundesländer zeigen in jüngster Zeit zwar einen leichten Rückgang der Schäden 7 , und manche Forstamtsleiter melden, daß sie die »optimale Wilddichte« erreicht haben und die Waldverjüngung wieder reibungslos läuft. 8 Doch andernorts steigen die Rehbestände sogar an. 5 Auf hohe Verluste reagieren die Rehe mit hohen Geburtenraten. Der Zoologe Dr. Wolfgang Scherzinger fragt: »Wenn immer mehr Wildtiere geschossen werden, weil es immer mehr gibt, müssen dann noch mehr geschossen werden, damit es weniger werden?«
    Unbestritten: Im Gebirge ist der hohe Wildverbiß ein Sicherheitsrisiko, denn der Schutzwald hält Lawinen und Erdrutsche auf bzw. verhindert deren Entstehung. Sicher ist auch, daß die Wildschäden in Forsten, die wirtschaftlichen Zielen dienen, ein ökonomisches Problem darstellen. Aber sind sie wirklich ein ökologisches Problem? Sind sie nicht eher Teil der Ökologie des Waldes?
    Bevor unsere Vorfahren sie ausrotteten, streiften neben Rothirschen, Rehen, Gemsen und Wildschweinen viele andere große Pflanzenfresser durch Mitteleuropa. Darunter waren »Bulldozer-Arten« wie Wisent und Mammut. Für solche großen Weidetiere mit

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