Lexikon der Oeko-Irrtuemer
die gesamte Nordhalbkugel. Die Zukunft der russischen Wälder ist unsicher. Zwar nimmt zur Zeit auch dort die Waldfläche zu, weil die staatlichen Subventionen für Holztransporte weggefallen sind. 1 Doch große Gebiete sind von Umweltgiften geschädigt und in einigen Regionen wird exzessiv abgeholzt.
Wer in Deutschland weiterhin ein allgemeines »Waldsterben« beschwört, macht sich unglaubwürdig. »Ein flächiges Absterben außerhalb der Kammlagen ist nicht mehr zu befürchten«, so Professor Bernhard Ullrich. 2 Die Waldschäden an den Gebirgshängen können vermutlich am besten behoben werden, wenn Deutschland seinen östlichen Nachbarländern dabei hilft, veraltete Kraftwerke und Fabriken umzurüsten.
Im Süden wird es noch lange dauern, bis der Raubbau am Regenwald endgültig gestoppt ist. Um den Wald so gut wie möglich zu erhalten, ist jedoch ein Tropenholzboykott völlig kontraproduktiv. Solche Kampagnen sollten schnell zu den Akten gelegt werden. Am besten wäre es, wenn die Preise für Tropenholz kräftig steigen würden. So könnte nachhaltige Forstwirtschaft endlich rentabler werden. Der britische Umweltjournalist Fred Pearce schrieb über die verheerenden Waldbrände, die 1997 und 1998 in Indonesien wüteten, höhere Preise für Tropenholz wären ein gutes Mittel, um die Brandrodung einzudämmen. 3 Wer also etwas Gutes für den Regenwald tun will, sollte Holz aus ökologisch verträglicher Wirtschaft kaufen (FSC-Siegel).
Zusätzlich werden die sogenannten »non timber forest products« weiter an Bedeutung gewinnen, denn die Tropenwälder bestehen nicht nur aus Bäumen. Auch viele andere Naturstoffe aus dem Dschungel lassen sich vernünftig vermarkten: Nüsse, Früchte, Faser- und Ölpflanzen, Pilze, Kräuter, Arzneipflanzen, Honig, Wild und vieles mehr. Nach Berechnungen der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) ist die kombinierte Ernte von Holz und anderen Waldprodukten die ergiebigste Nutzungsform. Sie erbringt höhere Erträge als reine Forstwirtschaft und sogar mehr Gewinn als Plantagen und Viehzucht. 4
Neben der Ernte im Regenwald ist es auch möglich, auf bereits gerodeten Flächen Industrie- und Nutzpflanzen so anzubauen, daß die Fruchtbarkeit der Böden verbessert und der Waldrand geschützt wird. Daimler-Benz investiert jährlich 300 000 Mark in Musterplantagen und Kleinmanufakturen am Amazonas, die nachwachsende Industriestoffe anbauen und verarbeiten. Der Konzern setzt solche Pflanzenprodukte bereits heute im Automobilbau ein. Hauptsächlich sind es Faserpflanzen, die zu Bauteilen für das Wageninnere verarbeitet werden. 5
In den letzten Jahren richtete sich die öffentliche Aufmerksamkeit sehr stark auf die »Dschungelapotheke«. Die Kooperation zwischen dem Pharmakonzern Merck und dem Nationalen Institut für Biodiversität (Inbio) in Costa Rica machte weltweit Schlagzeilen. Merck bezahlt Geld für das Aufspüren und Sammeln von möglichen Arzneipflanzen in den Regenwäldern des Landes. Sollte dabei ein medizinischer Wirkstoff entdeckt werden, ist Inbio am Gewinn beteiligt. Doch solche vorbildlichen Versuche, aus dem Erhalt der tropischen Lebensvielfalt ökonomische Vorteile für Entwicklungsländer zu schaffen, sind schwierig: einerseits, weil nicht in jedem Kräutlein das lang ersehnte Krebsmittel schlummert, und andererseits, weil sich Pflanzen und Tiere nicht an Staatsgrenzen halten, ein Rechtstitel auf Naturstoffe also schwer durchzusetzen ist.
Der Trend zu großen Holzplantagen für die industrielle Nutzung
(zum Beispiel für Zellstoff) wird weiter anhalten. Viele tausend Hektar Nutzholz werden derzeit in China und vielen anderen Ländern gepflanzt. Obwohl diese Wälder eintönig und artenarm sind und oft aus importierten Baumarten bestehen, haben sie auch Vorteile. Industrieholz-Wälder sind ökologisch nicht schlechter als Ackerbau und Viehzucht, und sie decken einen Bedarf, der sonst auf Kosten von Naturwäldern ginge. Dies gilt jedoch nur dort, wo nicht zuvor Urwälder für Holzplantagen gerodet wurden.
Außer der nachhaltigen Forstwirtschaft, dem Naturschutz und dem Tourismus gibt es noch einen vierten Hoffnungsschimmer für die bedrohten Regenwälder: die Industrialisierung. Sobald Entwicklungsländer mit Industrieprodukten auf dem Weltmarkt konkurrieren können, sinkt die Bedeutung der Landwirtschaft. Folglich nimmt der Druck auf die Wälder ab. Schon heute übertrifft in Malaysia der Export von Industrieprodukten den Export von Holz bei weitem. Auch in
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