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Lexikon der Oeko-Irrtuemer

Lexikon der Oeko-Irrtuemer

Titel: Lexikon der Oeko-Irrtuemer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk und Miersch Maxeiner
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Allergieauslöser zu ermitteln und zu isolieren, wird sich vielleicht als Segen für Allergiker erweisen. Denn so könnte es möglich werden, bei wichtigen Lebensmitteln den Allergiefaktor unwirksam zu machen.
    Wenn gentechnisch veränderte Nahrung gekennzeichnet wird, geht von ihr keine größere Allergiegefahr aus, als von allen anderen neu entwickelten Lebensmitteln. Jede neue Komponente kann eine Allergie auslösen, egal ob sie durch Gentransfer oder klassische Kreuzung in die Pflanze gelangte. Auch jede neue exotische Frucht, die auf den Markt kommt, ist potentiell allergieauslösend. Das erfuhren viele Menschen am eigenen Leib, als die Kiwifrüchte in Europa eingeführt wurden.
    Grundsätzlich ist der Verzehr genetischen Materials kein besonderes Risiko. Mit jeder Zelle eines Steaks verspeisen wir den gesamten Bauplan des Rindes. Menschen essen bei jeder Mahlzeit das Erbgut anderer Lebewesen: zirka ein Gramm DNS (Desoxyribonukleinsäure) täglich. Doch wir bauen die Gene von Rindern, Rüben und Rhabarber nicht in unser Erbgut ein.
    In Schriften gegen die Gentechnik wird immer wieder vor einer möglichen Antibiotika-Resistenz gewarnt, die durch die veränderten Lebensmittel in den Körper geschleust werden könnte. Der Grund: Gentechniker verwenden häufig ein bestimmtes Markierungsgen, das ihnen hilft zu erkennen, in welchen Versuchspflanzen die Übertragung des gewünschten Gens gelungen ist. Das Markierungsgen vermittelt eine Resistenz (Unempfindlichkeit) gegen ein bestimmtes Antibiotikum.
    Wissenschaftliche Untersuchungen haben sich mit der Möglichkeit befaßt, daß das Markierungsgen menschliche Darmbakterien antibiotikaresistent machen könnte. Sie kamen zu dem Schluß, daß eine Übertragung dieser Antibiotika-Resistenz extrem unwahrscheinlich ist. Das betreffende Gen wird, wie andere Pflanzengene auch, im menschlichen Verdauungstrakt zersetzt. 3 Doch selbst diese potentielle Gefahr lauert nicht allein in gentechnisch veränderten Speisen. Der Mensch, so der Molekularbiologe Walter Doerfler, nehme beim Essen täglich Millionen von Bakterien auf, die gegen bestimmte Antibiotika resistent sind. 4 Viel naheliegender (und sogar höchst bedrohlich) ist die Gefahr von Resistenzbildungen gegen Antibiotika durch die falsche und zu häufige Anwendung dieser Medikamente sowie durch ihren Mißbrauch in der Tiermast.
    Antibiotika-Resistenzen sind als Markierungsfaktor in der Gentechnik jedoch nicht unabdingbar. Forschergruppen in mehreren Ländern entwickelten Ende der neunziger Jahre andere Wege, um transgene Zellen unter den Hunderttausenden unveränderter Zellen einer Versuchskultur zu finden. Als neues Markierungselement wurde unter anderem ein wachstumsförderndes Pflanzenhormon eingesetzt. 5
      
    1 Der Spiegel Nr. 15/1997. 2 Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (BMELF), Die grüne Gentechnik, 1997. 3 ebd. 4 Der Spiegel Nr. 15/1997. 5 Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 10. 11. 1999.
     

Perspektiven
      
    Schon heute werden wichtige Bereiche der Gentechnik von der großen Mehrheit der Bevölkerung akzeptiert oder zumindest stillschweigend hingenommen. So sind bereits rund 20000 Nahrungsmittel im Handel, bei denen eine Komponente mit Hilfe gentechnischer Verfahren hergestellt wurde. In den meisten Fällen handelt es sich um Hilfs- und Zusatzstoffe (beispielsweise Enzyme, Aminosäuren, Vitamine, Süßstoffe). 1
    Gentech-Medikamente, etwa Insulin oder Betaferon, werden allgemein akzeptiert. Doch viele Menschen, die bedenkenlos genmanipulierte Arzneien einnehmen, grausen sich vor Nahrungsmitteln, die mit solchen Methoden hergestellt wurden. Die meisten Deutschen finden Gentechnik zur Herstellung von Medikamenten und Impfstoffen in Ordnung, lehnen sie in Nahrungsmitteln jedoch ab. 2
    Die Debatte um genmanipuliertes Essen nimmt vermutlich einen ähnlichen Verlauf wie die Diskussion um Gentechnik in anderen Bereichen: Nach anfänglich übertriebenen Befürchtungen kehrt kritische Sachlichkeit ein . Der alltägliche Gebrauch wird die gentechnisch veränderte Nahrung ebenso entmystifizieren wie einst die Computertechnik.
    Zur Erinnerung: Auch Computer galten noch Mitte der achtziger Jahre in der deutschen Bedenkenträger-Elite als Teufelszeug. Computertechnik wurde als allmächtiges Überwachungsinstrument dargestellt, mit dem Staat und Konzerne die Bürger durchleuchten und bevormunden wollen. Die Grünen faßten damals den offiziellen Beschluß, Computer- und Gentechnik zu

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