Lexikon der Oeko-Irrtuemer
bekämpfen.
Besonders abwegig ist die pauschale Ablehnung der Gentechnik durch den organisierten Öko-Landbau. Hier wird an einem Mythos gestrickt: Unverfälschte Natur gegen Kunstfraß aus dem Labor. Doch die Kulturpflanzen der Biobauern sind ebenfalls Produkte menschlicher Technik. Sie entstanden durch vielfache Kreuzungen mit heftigstem Gentaustausch. Öko-Landwirte bekämpfen schädliche Insekten mit dem Bacillus thuringensis, dessen Eigenschaften die Genforscher nutzen. Vermutlich werden die dogmatischen Positionen in ein paar Jahren aufweichen, oder dem organisierten Öko-Landbau steht eine Spaltung bevor. Sollten sich in Zukunft Getreide- oder Gemüsesorten bewähren, die eingebaute Abwehrkräfte gegen Insekten, Pilze oder Viren besitzen, entsteht eine neue Situation. Nicht alle Biobauern werden auf ewig akzeptieren, daß sie diese Sorten nicht anbauen dürfen.
In den Vereinigten Staaten hat diese Diskussion bereits begonnen, als Anfang 1998 die US-Landwirtschaftsbehörde USDA (US-Department of Agriculture) allgemein verbindliche Regeln für den Öko-Landbau formulieren wollte. Die Prüfer fanden, daß gentechnisch veränderte Pflanzen den Kriterien des Öko-Landbaus entsprechen, denn schließlich kämen sie weder mit Kunstdünger noch mit Pestiziden in Berührung. Öko-Landbau, so kommentierte das britische Wissenschaftsmagazin »New Scientist«, stehe für gesunde Nahrungsmittel, für die weder Tiere gequält noch die Umwelt geschädigt werde. Mit anderen Worte für Essen, das man ohne Sorgen und schlechtes Gewissen kaufen könne. Doch Gentechnik ändere an diesen Kriterien nichts. 3
Allerdings werden auch die hochtrabenden Visionen der Gentechnik-Befürworter mit der Zeit auf Normalmaß schrumpfen. Sie ähneln zu sehr den utopischen Erwartungen, die einst an die friedliche Nutzung der Atomenergie geknüpft wurden. Die Erde wird auch mit Hilfe von Gen-Food und Gen-Medizin kein Himmelreich. Allzu selbstlos klingen die Versprechungen der Hersteller. Natürlich wollen die Firmen nicht edelmütig die Menschheit beglücken, sondern in erster Linie Produkte verkaufen und neue Märkte erschließen. Viele Entwicklungen sind so angelegt, daß die Bauern in Zukunft Pakete aus Saatgut und Unkrautvernichtungsmitteln kaufen müssen, wenn sie die neuen Sorten anbauen wollen. Wenn Konzerne die Rezepturen für besonders ertragreiche Kombinationen besitzen, können sie die Preise diktieren. Diese schädliche Entwicklung könnte jedoch am wachsenden Protest von Bauern in aller Welt scheitern. 1999 erklärte der US-Konzern Monsanto seinen Ausstieg aus der sogenannten »Terminator-Technologie«, die die Landwirte zum stetigen Neukauf der Samen unfruchtbar gemachter Pflanzen zwingt.
Besonders blauäugig klingen die Hymnen der Befürworter, wenn sie versprechen, mit Hilfe der Gentechnik den Hunger abzuschaffen. Menschen hungern jedoch nicht, weil es zu wenige Nahrungsmittel auf der Welt gibt. Es ist genug für alle da, doch nicht alle kriegen etwas ab. Menschen hungern, weil sie arm sind und sich nichts zu essen kaufen können, weil Krieg ihr Land zerstört hat oder sie durch Vertreibung und Terror von den Nahrungsressourcen abgeschnitten wurden. Dagegen hilft auch der fruchtbarste Genweizen nicht.
Wenn es den Gentechnik-Unternehmen wirklich so wichtig ist, armen Bauern in Afrika zu helfen, gäbe es aber durchaus ein paar Möglichkeiten, dies unter Beweis zu stellen. Sie könnten ihr Wissen einsetzen, um Ackerpflanzen zu entwickeln, die auf trockener und salzbelasteter Erde wachsen, keinen Mineraldünger benötigen und erodierende Böden besser stabilisieren. Das Saatgut dafür müßte erschwinglich sein und Samen hervorbringen, die wieder ausgesät werden können. Einige dieser Eigenschaften sind bereits einsatzbereit oder im Versuchsstadium. Die Saatgutindustrie kann - wenn sie will - damit viel Gutes bewirken.
Unterdessen bröckelt in den Vereinigten Staaten bereits die anfängliche Begeisterung vieler Farmer. Nach einer Untersuchung des US-Landwirtschaftsministeriums, die 1999 bekanntgemacht wurde, blieben die Erträge der neuen gentechnisch veränderten Ackerpflanzen unter den Erwartungen. 4
Nüchtern betrachtet wird die Gentechnik vermutlich weitere hilfreiche Medikamente und ein paar verbesserte Lebensmittel hervorbringen. Sie könnte zu geringerem Gifteinsatz in der Landwirtschaft führen und obendrein - wie viele neue Techniken - eine Menge überflüssigen Plunder erzeugen.
1 Focus Nr. 47/1996. 2 Future,
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