Lexikon der Oeko-Irrtuemer
den Globus maximal in Quadraten mit 300 Kilometer Seitenlänge darstellen. Links ein »T21«-Netz aus der Klimaforschung, rechts ein »T106«-Netz aus der Wetterbeobachtung. (Quelle: H. Hug 1997/ Physikalische Blätter 1995)
Die besten Rechner können die Welt aber derzeit höchstens als Raster mit Planquadraten von etwa 300 Kilometern Seitenlänge abbilden (90 000 Quadratkilometer). Für jeden Kreuzungspunkt werden Temperatur, Feuchte, Wind und Luftdruck bestimmt. Ein ganzes Bundesland stellt demnach eine Durchschnittsfläche mit gleicher Luftfeuchtigkeit, Luftverschmutzung, Temperatur und Wolkendecke dar (ganze Gewitter- und Wolkenfronten verschwinden in dem schwarzen Quadrat). Die Atmosphäre wird grob in Quader aufgeteilt, so daß die Welt im Computer aussieht wie ein Fußball, um den herum ein Mantel aus Legosteinen gebaut wurde. Das komplexe Geschehen auf der Erde wird also ungeheuer vereinfacht dargestellt. [Grafik siehe oben]
Dennoch sind diese Computersimulationen eine technische und wissenschaftliche Leistung und prinzipiell auch zum besseren Verständnis des Klimas sinnvoll. Funktioniert so eine mathematische Welt einigermaßen, erhöhen die Klimaforscher beispielsweise den CO 2 -Gehalt auf ihrem virtuellen Planeten und lassen sich ausrechnen, was in den nächsten 50 Jahren passiert. Sie erhalten ein »Szenario«, das in Verbindung mit den anderen Disziplinen und Methoden der Klimatologie zu einem verbesserten Verständnis des Klimas führen kann. Der Computer ist bis dato ein wunderbares Forschungshilfsmittel, aber ein nur sehr beschränkt taugliches Prognose-Instrument. 1997 wurden auf einer Fachkonferenz der Amerikanischen Meteorologischen Gesellschaft die 14 wichtigsten derzeitigen Klimamodelle auf Herz und Nieren geprüft. Experten verglichen die Vorhersagen mit Meßdaten der Wettersatelliten. Bei der Vorhersage der Temperaturen für die untere Schicht der Erdatmosphäre lagen alle Modelle um 75 Prozent zu hoch. 1
Konkrete Aussagen über den tatsächlichen Einfluß des Menschen sind derzeit überaus gewagt. Prognosen über einen Temperaturanstieg (möglichst noch bis auf eine Stelle hinter dem Komma) in den nächsten 50 oder 100 Jahren sind gar reine Spekulation. Die amerikanische Wissenschaftszeitschrift »Science« nennt vor allem zwei Gründe für die Beschränktheit des Rechnerhorizontes. 2 Erstens: Die Abbildung der Wirklichkeit ist viel zu grob. Zweitens: Wir wissen viel zu wenig darüber, wie die Wirklichkeit überhaupt aussieht und das Klima tatsächlich funktioniert, sprich, welchen Einfluß Sonne, Wolken, Winde, Blitze, Meere oder Moore tatsächlich haben.
Die Wissenschaft verfügt zwar über eine Beschreibung des Klimas im großen Maßstab, in Details reicht sie aber nur etwa 50 Jahre zurück. Für die Zeit davor gibt es nur wenige genaue Angaben, meistens ist man auf Schätzungen und Rekonstruktionen angewiesen. Keine Theorie erklärt, warum in den vergangenen 100 000 Jahren die Temperaturen dutzendfach innerhalb kürzester Zeit um drei bis zehn Grad schwankten. Keine Theorie erklärt, warum wir unter anderem in Skandinavien und Deutschland die kleine Eiszeit (1250 bis 1850) hatten. Es ist kein Mechanismus bekannt, warum die Temperaturmittel von 1940 bis 1979 absanken. Hinsichtlich der großen Eiszeiten gibt es zwar einen Hauch von Vermutungen, aber eben auch keine genaue Formel, die man etwa in einen Rechner einspeisen könnte. Die Computersimulationen gleichen so einem fahrenden Auto, von dem niemand weiß, wie der Motor oder die Bremsen funktionieren. »Je mehr wir lernen, desto mehr verstehen wir, daß wir nichts verstehen«, bekennt im »Science«-Magazin ein Computermodellierer. 3
Hinzu kommt (wie an anderer Stelle in diesem Kapitel gezeigt), daß die einfachsten Daten, beispielsweise Temperaturen, oftmals schon auf Schätzungen und Spekulationen beruhen. Werden die Modelle nun falsch gefüttert, spucken sie zwangsläufig auch Unsinn aus. »Garbage in, garbage out« - »Müll rein, Müll raus«, sagen die Amerikaner dazu salopp.
Der kleinste Fehler potenziert sich im Computer mitunter schon nach kurzer Zeit zu komplettem Unsinn, der Rechner rechnet sich ins »deterministische Chaos« (das nicht umsonst von einem Meteorologen entdeckt wurde). Unsere Wetterfrösche wissen, daß ihre Computer spätestens bei einem Vorhersagezeitraum von mehr als sieben Tagen anfangen, grob aus dem Ruder zu laufen. Die Zahl der Möglichkeiten, wie sich das Wettergeschehen weiterentwickeln
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