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Lexikon der Oeko-Irrtuemer

Lexikon der Oeko-Irrtuemer

Titel: Lexikon der Oeko-Irrtuemer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk und Miersch Maxeiner
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könnte, explodiert und überfordert selbst den stärksten Computer. Aksel Wiin-Nielsen, ehemaliger Generalsekretär der World Meteorological Association ist sich sicher: »Dieses Prinzip werden wir niemals schlagen.« Das Gesetz dahinter: Chaotische Systeme sind schon per definitionem unberechenbar, sonst gäbe es sie nicht.
    Die Klimamodellierer versuchen dem nun auszuweichen, indem sie nur bedingte Prognosen auf der Basis von wechselnden Anfangsbedingungen eines Systems machen. Motto: Uns kommt es nicht auf den absoluten Endzustand an, sondern nur auf die verschiedenen Trends. Doch selbst diese reduzierte Herangehensweise ist von vielfältigen Unsicherheiten geprägt. So machen die Computerspezialisten sogenannte »Flußkorrekturen«. Zu deutsch: Sie »frisieren« Programme und Daten, um ein »Kreislaufmodell« überhaupt zum Funktionieren zu bringen. Dies geschieht in der Regel keineswegs in manipulativer Absicht. Es zeigt aber, daß das Bild von »mathematisch exakten« Computerberechnungen letztlich ein Mythos ist - zumindest wenn damit »wirklichkeitsgetreu« gemeint ist.
    Ein weiteres grundsätzliches Problem: Meteorologen werden immer wieder von den »rückkoppelnden Wechselwirkungen« in »komplexen Systemen« verblüfft: Geringe lokale Veränderungen können eine instabile Wetterlage zum Kippen bringen und globale Veränderungen der Großwetterlage auslösen. Der Zufall ist schlichtweg unberechenbar. Andererseits muß man zugeben, daß die Meteorologen und auch die Klimaforscher mit ihren Computermodellen Fortschritte machen. So leisteten sie zusammen mit einer Armada von Meßbojen, Schiffen, Flugzeugen und Satelliten bei der frühzeitigen Erkennung der Unwetter verheißenden Meeresströmung El Nino wertvolle Dienste. Auch in vielen anderen Bereichen entwickeln sich Simulationen rapide zu einem zusätzlichen Standbein wissenschaftlichen Arbeitens. So können beispielsweise Autos heute im Computer konstruiert und sogar erprobt werden. Doch auch diese »Virtual Reality«, wie die Scheinwelt neudeutsch genannt wird, hat ihre Fallstricke. Daimler-Benz beispielsweise erlebte mit seiner im Computer tadellos sicheren A-Klasse ein Debakel: In natura kippte das Auto bei bestimmten Ausweichmanövern einfach um. Das Phänomen wird wohl unter dem Stichwort »Elchtest« in die Geschichte des Automobils eingehen.
    Das zeigt anschaulich, warum sich auch Klimarechner vor Selbstüberschätzung hüten sollten. Voraussagen über das Weltklima in 100 Jahren und die bis dahin steigenden Temperaturen sind selbst dann nicht akzeptabel, wenn sie mit bester Absicht die Umweltmoral stärken sollen. Eine Nagelprobe dafür lieferte 1991 der Golfkrieg gegen Saddam Hussein. Damals prophezeiten zahlreiche Klimaforscher eine Art nuklearen Winter für den Fall, daß Saddam sämtliche Ölquellen anzünden würde. Das »CSIRO«-Computermodell australischer Klimatologen präzisierte im Vorfeld des Krieges: Schwarzer Rauch würde bis in 25 Kilometer Höhe aufsteigen, eine weiträumige regionale Kältewelle auslösen, möglicherweise würde der Monsun in Asien ausbleiben und Millionen Menschen müßten verhungern. 4
    Dann passierte tatsächlich das Ungeheuerliche: Saddam zündete alle Quellen an. Es blieb jedoch bei einer leichten lokalen Abkühlung in Kuwait selbst, nur 150 Kilometer weiter, in Dharan oder Bahrain, blieben die Temperaturen fast unverändert. Der Rauch stieg nicht 25 Kilometer auf, sondern »nur« fünf. Der Monsun in Asien kam und ging wie immer. That's life.
      
    1 LTU-Magazin 1997. 2 Science, Vol. 276, 1997, Seite 1040. 3 ebd. 4 New Scientist vom 12. 1. 1991.
      

»Der Flügelschlag eines Schmetterlings kann einen Hurrikan auslösen«
      
    Die chaotische Struktur der Erdatmosphäre zeigt sich Tag für Tag an der Ungenauigkeit der Wettervorhersage. Auf diese Tatsache hatte bereits 1902 Henri Poincare hingewiesen: »Ein zehntel Grad mehr oder weniger an einem beliebigen Punkt... ein Wirbelsturm bricht hier aus und nicht dort.« 1 Der Meteorologe Edward Lorenz war es schließlich, der 1972 das berühmte deterministische Chaos entdeckte, das sich denn auch prompt in allen Bereichen der Wissenschaft auswirkte und in der Klimaforschung eine zentrale Rolle spielt. Um deutlich zu machen, daß schon eine winzige Störung ein System chaotisch werden lassen kann, hielt Lorenz einen Vortrag, der gegen seinen Willen den Titel trug: »Kann der Flügelschlag eines Schmetterlings in Brasilien einen Tornado in Texas auslösen?«

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