Lexikon der Oeko-Irrtuemer
fossiler Rohstoffe eine Reihe von Vorzügen für PVC, mahnte aber eine Weiterentwicklung bei Verwertung und Entsorgung an. Ein Ersatz von PVC könne jedoch nicht empfohlen werden, so die Kommission, denn das berge die Gefahr einer Problemverschiebung in sich, wenn nicht gar eine Verschlechterung des gegenwärtigen Zustands.
Die eingefahrene Kampagne gegen die »Leitsubstanz« PVC läuft indes weiter, als sei nichts geschehen. Die einstmals berechtigten Vorwürfe gegen den Werkstoff werden dabei immer zweifelhafter. So bot 1996 der Düsseldorfer Flughafenbrand Kritikern einen scheinbar willkommenen Anlaß, ein generelles PVC-Verbot zu fordern: Das Material sei für den Brand und die Dioxinverseuchung der Gebäude verantwortlich hieß es nach einer medienwirksamen Schnell- und Ferndiagnose von PVC-Gegnern. »Durch PVC wird ein Feuer zum Chemieunfall«, schrieb die »Badische Zeitung«. 17 Menschen kamen bei dem Brand ums Leben.
Inzwischen hat die vom Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen eingesetzte unabhängige Sachverständigenkommission ihren Abschlußbericht vorgelegt. Die Opfer starben danach eindeutig an einer Vergiftung durch das bei jedem Brand freiwerdende Kohlenmonoxid. Weiter wird festgestellt, daß auch nicht PVC-Kabel, sondern andere Stoffe (und vor allem eine gehörige Portion Schlamperei) für die Entstehung und für die Ausbreitung des verhängnisvollen Feuers verantwortlich waren. Fest steht schließlich, daß die betroffenen Flugsteige nicht über das bei Bränden normale Maß hinaus »dioxinverseucht« sind, schon gar nicht mit Dioxinen aus PVC. 7
Richtig ist, daß aus PVC im Brandfall Dioxine entstehen können. Richtig ist aber eben auch, daß dies für andere Baustoffe genauso gilt, beispielsweise für Holz (diese sind allerdings meist sehr viel leichter entflammbar als das schwer entzündliche PVC). Gegenüber allen anderen Materialien hat PVC heute zumindest einen klaren Vorteil. Den beschreibt die bereits zitierte Enquete-Kommission des deutschen Bundestages so: »Nach Jahren einer intensiven Diskussion ist PVC heute der hinsichtlich seiner Umweltrelevanz bei weitem am besten untersuchte Stoff.«
1 Die Zeit vom 13. 6. 1996. 2 Arbeitsgemeinschaft PVC und Umwelt, PVC-Produktinformation, 1/1996. 3 Die Zeit vom 13. 6. 1996. 4 dpa-Meldung vom 21. 11. 1997. 5 Bayer AG, Broschüre, Chemie mit Chlor, 1995. 6 Arbeitsgemeinschaft PVC und Umwelt, PVC-Produktinformation, 1/1996. 7 Unabhängige Sachverständigen-Kommission, Bericht - l.Teil, 11. 4. 1997.
»PVC-Spielzeug gefährdet die Gesundheit von Kindern«
Der Einsatz von PVC reicht beim Spielzeug vom Planschbecken bis zu Eimerchen und Schaufel. Das Material ist hier nicht gefährlicher als jedes andere auch.
Greenpeace meldete allerdings vor Weihnachten 1997: Weich-PVC, wie es für Puppen, Bälle, Badeenten oder Schwimmflügel verwendet werde, gefährde Kinder. Tests hätten ergeben, daß die im Kunststoff enthaltenen Weichmacher beim Lutschen herausgelöst werden könnten. Diese stünden im Verdacht, Krebs zu erregen. Eltern waren alarmiert, und die Firma Karstadt räumte daraufhin PVC-Spielzeug aus den Regalen. Andere Spielwarenketten wurden zum Ziel von Protestaktionen. Greenpeace forderte einen Verzicht auf sämtliches PVC-Spielzeug, auch über Babyspielsachen hinaus. Badeenten hatten plötzlich den Ruch bedrohlicher Giftmonster.
Zwei von der Europäischen Union akkreditierte Institute, der TÜV-Rheinland und die Landesgewerbeanstalt Bayern (LGA), kamen zu einem völlig anderen Ergebnis als Greenpeace. Beim gleichen Spielzeug konnten Weichmacher, sogenannte Phthalate, nur in geringen - teilweise bis zu fünfhundertfach kleineren - Konzentrationen festgestellt werden, als von Greenpeace behauptet. In vielen Fällen lagen die Resultate der neuen Tests sogar unterhalb der Nachweisgrenze. Das Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin gab bekannt: »Die von Greenpeace in den meisten Fällen angewandte Methode ist für die Bestimmung von Phthalaten ungeeignet.« 1
Der Weichmacher DEHP, von dem behauptet wurde, er sei krebserregend, kann in hohen Dosen bei Nagetieren Krebs auslösen (siehe »Was heißt eigentlich krebsverdächtig?«). Für den Menschen wurde er bereits 1990 von der EU-Kommission als nicht kanzerogen eingestuft. 2 Die Frage, ob sich nach mindestens dreistündigem Kauen nicht doch etwas herauslösen könnte, bleibt strittig. Aus diesem Grund hat CSTEE, das höchste
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