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Lexikon der Oeko-Irrtuemer

Lexikon der Oeko-Irrtuemer

Titel: Lexikon der Oeko-Irrtuemer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk und Miersch Maxeiner
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entfaltet es eine geradezu magische Reaktionsfreude. Zusammen mit Kohlenstoff aus Erdöl und Erdgas erwächst daraus ein riesiger Produktstammbaum.
    Das mengenmäßig wichtigste Endprodukt, in dem Chlor vorkommt, heißt PVC (Polyvinylchlorid). Weltweit ist es der am zweithäufigsten produzierte Kunststoff. 2 PVC besteht zu 57 Prozent aus Chlor und zu 43 Prozent aus Kohlenstoff. PVC-Produkte selbst sind zunächst einmal harmlos, extrem witterungsbeständig, preiswert und langlebig. Sie finden deshalb weltweit vor allem am Bau Verwendung: in Form von Fenstern, Rohren, Kabelummantelungen, Bodenbelägen oder Dachdichtungsfolien. Bei Wasserrohren hat PVC in Deutschland inzwischen einen Marktanteil von 55 Prozent.
    Dennoch fordern Umweltorganisationen wie der BUND oder Greenpeace seit Jahren einen generellen Verzicht auf PVC. Der Grund: PVC ist das Herzstück der Chlorchemie - und die soll nach Ansicht der Umweltschützer am besten ganz verboten werden. Der Produktionsverbund der Chlorchemie bringt nämlich neben harmlosen auch eine Menge problematische Stoffe hervor.
    Aus der Chlorchemie kommen Verbindungen wie das Insektizid DDT, die Gruppe der giftigen PCBs, die ebenfalls toxischen PCPs, die ozonschädigenden FCKWs und die auch nicht unproblematischen CKW-Lösemittel (Das »C« steht jeweils für Chlor). Die Herstellung und Verbreitung dieser Stoffe ist jedoch heute - zumindest in den Industrienationen - streng reglementiert oder ganz verboten. Bei der Verbrennung aller chlorhaltigen Verbindungen oder bei Produktionsstörungen entsteht das Gift Dioxin. Doch gilt dieses Problem heute aufgrund strenger Auflagen - sowohl bei der Herstellung wie auch bei der Entsorgung - als zufriedenstellend gelöst: Die Emissionen und in der Folge die Belastung von Mensch und Umwelt gingen seit 1990 drastisch zurück (siehe auch unter »Müll«, und »Gesundheit«).
    Der Ausgangsstoff von PVC, das gasförmige Vinylchlorid (VC) ist krebserregend. Aus diesem Grund kam es Anfang der siebziger Jahre zu einer Serie tödlicher Krebsfälle bei Arbeitern in der PVC-Produktion. Die drastische Verringerung der VC-Emissionen und eine Umstellung des Produktionsverfahrens sorgten dann dafür, daß Arbeiter nicht mehr mit Vinylchlorid in Berührung kommen und es heute nicht mehr als Umweltproblem gilt. Die Restspuren von Vinylchlorid im PVC liegen zweitausendfach unter denen der siebziger Jahre. 3
    Die PVC-Hersteller und Verarbeiter haben inzwischen nahezu alle ursprünglichen Forderungen der Kritiker erfüllt: Die Hochsee-Verbrennung von Rückständen wurde eingestellt. Bei der Produktion wird kein Cadmium mehr als Stabilisator verwendet. Man hat Sammel- und Verwertungssysteme für PVC aufgebaut und eigens Recyclingbetriebe errichtet, etwa für die Wiederverwertung von Fensterrahmen. Der Abschied vom Blei als Produktionsbestandteil ist für die Jahrhundertwende vorgesehen. In modernen PVC-Fabriken, beispielsweise in den neuen Bundesländern, wird dank verbesserter Verfahren ab 1998 auch kein Quecksilber mehr verwendet. 4 Die Quecksilberkonzentration der Abwässer, die die Bayer-Werke verlassen, liegen jedoch heute schon unterhalb des Grenzwertes, den die deutsche Trinkwasserverordnung festlegt. 5 Man muß PVC nicht lieben, aber das Material ist nach den Sünden der siebziger Jahre heute viel besser als sein Ruf.
    Das Darmstädter Institut für Bauen mit Kunststoff erstellte zwei umfassende Studien über technische, wirtschaftliche und ökologische Aspekte von PVC als Baumaterial. Ergebnis: PVC in seiner heutigen Verfassung und Herstellungsweise unterscheidet sich hinsichtlich seiner Umweltrelevanz nicht mehr wesentlich von anderen Baustoffen. Weder die Energie- noch die Schadstoffbilanz rechtfertigt einen Verzicht. Oft sogar im Gegenteil: So sind mit Holzfenstern, die im Laufe ihres »Lebens« mehrmals gegen Verwitterung mit Schutzmitteln behandelt werden müssen, in der Praxis unter Umständen erheblich größere Umweltbelastungen verbunden.
    Ein Verzicht auf das Material kann jedoch dort sinnvoll sein, wo seine ökologischen Vorteile, wie die Langlebigkeit, in einen Nachteil umschlagen, also beispielsweise bei Verpackungen. Doch an denen ist PVC ohnehin nur mit etwa fünf Prozent beteiligt. In Deutschland wird PVC zu 69 Prozent für Produkte verwendet, die länger als zehn Jahre halten sollen. 6 Die vom deutschen Bundestag eingesetzte Enquete-Kommission »Schutz des Menschen und der Umwelt« sah 1994 in der Langlebigkeit und dem geringen Einsatz

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