Lexikon der Oeko-Irrtuemer
unrecht). Umgekehrt wird den IPCC-Forschern (oft ebenfalls zu unrecht) vorgeworfen, das Modell der demokratischen Industriegesellschaff beseitigen zu wollen.
Umweltdebatten unterliegen Modezyklen. Insofern ist damit zu rechnen, daß die Klimadiskussion einen ähnlichen Verlauf nehmen wird, wie die um das sogenannte Waldsterben. »Der Spiegel«, Leitmedium mit sensiblem Gespür für das Meinungs-Klima, titelte Ende 1997 bereits: »Der Weltuntergang fällt aus.« 3 Mit dem Ausbleiben der Schreckensszenarien und mit zunehmend differenzierten wissenschaftlichen Erkenntnissen wird das Thema für Ideologen uninteressant. Sie werden neue Betätigungsfelder finden (einige haben sich ja bereits in der Globalisierungsfalle eingerichtet). Umweltschützer, denen wirklich etwas an ihrem Thema liegt, sollten aufhören, das Klima zur Mutter aller Umweltschlachten zu stilisieren. Die Umweltschützer müssen sich Gedanken über die Zeit nach der Klimadiskussion machen. Wenn die gegenwärtige Klimahysterie kippt, geht ihre Glaubwürdigkeit sonst gleich mit über Bord. Äußerst unklug ist es auch, den Gedanken des Energiesparens so stark an der Klimafrage festzumachen. Es gibt genügend vernünftige Gründe für einen schonenden Umgang mit Ressourcen, die langfristig Bestand haben. Hier gibt es wirklich viel zu tun, packen wir es an.
Was wird aus der Klimaforschung? Politisch subventionierte Großforschungseinrichtungen sind stets problematische und konjunkturabhängige Veranstaltungen. Die großen Klimaforschungszentren der neunziger Jahre erinnern darin an die Kernforschungszentren der Sechziger und Siebziger: Das Gleiche - nur in Grün. Die Kernforscher tilgten inzwischen heimlich still und leise den Begriff »Kern« oder »Atom« aus den Institutsnamen und widmen sich heute einer breit gefächerten Forschungstätigkeit. Es gehört nicht viel Phantasie dazu, den einschlägigen Klima-Instituten Ähnliches zu prophezeien. Der politische und moralische Druck auf die Wissenschaftler wird nachlassen. Bleibt freilich zu hoffen, daß bei dieser Gelegenheit nicht auch die Gelder für die Klimaforschung gestrichen werden. Die Suche nach den tatsächlichen Zusammenhängen im Klimageschehen ist für die Menschen nach wie vor von Bedeutung.
1 New Scientist vom 8. 2. 1997. 2 U.S. News & World Report vom 1. 12. 1997. 3 Der Spiegel Nr. 51/1997.
Konsum und Alltag
Oft gehört, gern geglaubt
»Kunststoffe sind umweltschädlich“
»PVC ist ein gefährliches Material“
»PVC-Spielzeug gefährdet die Gesundheit von Kindern“
»Latex ist ein ökologisch unbedenkliches Naturprodukt“
»Naturfasern sind ökologisch besser als Kunstfasern“
»Stoffwindeln sind umweltfreundlicher als Wegwerfwindeln“
»Papiertüten sind besser als Plastiktüten“
»Beton ist böse«
»Umweltbewußte Menschen ziehen in ein Öko-Haus im Grünen«
Perspektiven
Oft gehört, gern geglaubt
»Der gesellschaftliche Grundwiderspruch«, so verkündet ein Graffito an der Frankfurter Uni, »besteht zwischen Baum und Beton!« Dem Sprüher hätten ein paar historische Seminare wahrlich gut getan. Dort hätte er lernen können, daß die großen Rodungen in Mitteleuropa nicht für Bankhochhäuser stattfanden, sondern zur Gewinnung von Ackerfläche.
Vielen Menschen erscheint die moderne Welt kalt und häßlich: alles Beton, alles Plastik, alles Chemie, alles synthetisch - nichts ist mehr echt. Wo bleibt die Gemütlichkeit? Diese Kritik ist nicht ganz unberechtigt, die Frankfurter Uni beispielsweise ist in der Tat häßlich und ungemütlich. Aber liegt das am Beton oder an der Architektur?
Die populäre Abneigung gegen moderne Werk- und Baustoffe zeigt sich aber auch gern im ökologischen Gewand. Beton und Plastik sind schlechterdings zu Synonymen für Umweltfrevel geworden. Früher wurde ein engstirniger Mensch »Holzkopf« genannt, heute ist aus ihm ein »Betonkopf« geworden. Durch die Mythen der Popkultur geistern »plastic people«, entfremdete Bewohner einer künstlichen Welt. Doch was ist künstlich?
Armaturenbretter aus dem altertümlichen Kunststoff Bakelit rufen bei Oldtimer-Fans romantische Gefühle hervor. Verlassene Hochöfen, Kohlezechen und Fabrikhallen werden unter Denkmalschutz gestellt. Was heute noch unnatürlich wirkt, kann morgen schon fast naturgegeben erscheinen. Alles, was der Mensch erschaffen hat, ist künstlich - und alle Rohstoffe, die ihm zur Verfügung stehen, stammen aus der Natur. Bedenkt man die
Weitere Kostenlose Bücher