Lexikon der Oeko-Irrtuemer
Wickelart umweltverträglicher ist, bisher nicht eindeutig beantwortet werden. Der Grund: Müll muß in einer Ökobilanz nicht der alles entscheidende Faktor sein, auch andere umweltrelevante Aspekte zählen.
Es wurden schon viele Versuche unternommen, alle ökologischen Daten unter einen Hut zu bringen und zu werten. Doch jedesmal kam etwas anderes heraus. »Drei Bilanzen, drei verschiedene Resultate«, klagte das Umweltmagazin »Natur«. 3 1997 startete das Bundesumweltamt einen weiteren Versuch, die Windelfrage zu klären. »Wer recht hat, ist noch immer nicht entschieden«, kommentierte die Verbraucherzeitschrift »Öko-Test« und widmete dem Windelstreit einen ausführlichen Report.
Ende der neunziger Jahre war der Sachstand immer noch so, wie ihn Klaus Töpfer formuliert hatte: »Keine der beiden Windelarten zeigt bei Berücksichtigung sämtlicher Umweltaspekte, wie Rohstoffbedarf, Abfall, Abwasser, Abluft und Energiebedarf, eindeutige Vorteile.« 4
Bei Wegwerfwindeln schlägt vor allem die enorme Müllmenge zu Buche und der Umstand, daß die Absorberkügelchen aus Polyacrylat - nach Auskunft des Windelexperten Michael Suhr vom Umweltbundesamt - nicht abbaubar sind. 5 Obendrein belastet die Herstellung von Plastiküberzug (Erdöl) und Zellstoffütterung (Holz) die Umwelt.
Stoffwindeln bestehen aus Baumwolle, deren Anbau sehr viel Wasser und - wenn es sich nicht um Bio-Cotton handelt - auch große Mengen Pestizide erfordert. Beim Waschen werden Strom und Wasser verbraucht. Auch die Herstellung des Waschmittels und die Belastung des Abwassers stehen auf der Minusseite der Ökobilanz.
Die dritte Variante - der professionelle Windelwaschdienst - ähnelt unter Umweltgesichtspunkten der Stoffwindel-Methode. Die Reinigungsfirmen sind jedoch effizienter und damit sparsamer beim Einsatz von Wasser und Strom. Bei ihnen schlägt allerdings der Faktor Transport und Luftbelastung zu Buche, denn die Windeln werden mit Lieferwagen geholt und gebracht.
Die Öko-Zeitschrift »Globus« hat im März 1998 die Windeldienste als Sieger ausgemacht. Das Magazin beruft sich dabei auf eine Untersuchung des ARENA-Umweltinstituts in Tübingen. »Prinzipiell geht aus der Untersuchung hervor«, schreibt Globus, »daß sich die Umweltbelastungen durch Einwegwindeln und Mehrwegwindeln hinsichtlich der Rohstoffbereitstellung, Herstellung und Anwendung (Waschen, Trocknen und Transportieren) ungefähr die Waage halten.« Dennoch ergreifen die Autoren Partei gegen die Einwegwindeln. Sie berichten, daß Kinder, die mit Wegwerfwindeln versorgt werden, laut einer Befragung von Müttern und Hebammen, viel später trocken würden. Obendrein seien die Windeldienste preisgünstiger, wenn man berücksichtigt, daß Einwegwindeln hohe Müllgebühren verursachen. Außerdem bringt »Globus« noch einen weiteren originellen Umweltfaktor ins Spiel: »Zellstoff für die Windeln kommt zum Teil schon aus Übersee. Der Einsatz von Tropenholz für die Produktion ist also nicht auszuschließen.« 6 Ein schönes Beispiel dafür, wie man mit der Gummi-Formulierung »nicht auszuschließen« jede noch so obskure Vermutung an die Leser bringen kann. Wir freuen uns schon auf die Schlagzeile: »Babys zerstören den Regenwald!«
Der »Glaubenskrieg« (Wortlaut »Öko-Test«) um die ökologisch saubere Popopflege geht weiter. Fest überzeugte Stoffwickler wußten sowieso schon immer, was Sache ist. »Eure Weisheiten stoßen mir seit langem auf«, schrieb ein empörter »Öko-Test«-Leser an die Redaktion. »Die Öko-Bilanz fällt mit Sicherheit zugunsten der Stoffwindel aus. Fragen Sie einfach Ihre Oma ...«
1 Öko-Test Nr. 8/1997. 2 ebd. 3 Natur Nr. 12/1995. 4 Öko-Test Nr. 8/1997. 5 ebd. 6 Globus Spezial »Kinder und Umwelt«, März 1998.
»Papiertüten sind besser als Plastiktüten«
Deutschlands Kaufhäuser, Supermärkte, Läden und Boutiquen geben ihren Kunden jährlich knapp drei Milliarden Tragetüten mit auf den Weg. 1 In den achtziger Jahren ersetzten immer mehr Geschäfte die vorher üblichen Plastikbeutel durch Papiertüten. Diese galten als umweltfreundlich und waren deshalb auch häufig mit Sprüchen aus dem ökologischen Poesiealbum bedruckt. Noch heute genießt die Papiertüte einen besseren Ruf als ihre Konkurrentin aus Polyethylen.
Bereits 1988 verglich das Umweltbundesamt die ökologischen Auswirkungen von Plastikbeuteln mit Papiertüten. Die staatlichen Umweltexperten untersuchten Rohstoffbedarf und Energieverbrauch, die Belastung
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