Lexikon der Oeko-Irrtuemer
von Luft und Wasser bei der Herstellung und das Müllproblem. Sie kamen zu folgendem Schluß: »Der Wechsel von Polyethylen zu Papiertragetaschen ist aus ökologischen Gründen nicht sinnvoll.« 2
Die Plastiktüten benötigen bei der Produktion weniger Energie und verursachen dabei insgesamt weniger Umweltbelastungen als die Papierherstellung. Hinsichtlich der Entsorgung auf Deponien oder in Müllverbrennungsanlagen unterscheiden sich die beiden Materialien nicht wesentlich. Das Problem liegt in der Abfallmenge, die durch das Wegwerfen der Tüten entsteht. 3 Die Prüfer des Umweltbundesamtes empfehlen deshalb, ganz auf Wegwerftüten zu verzichten und langlebige Tragetaschen aus Plastik, Jute oder Baumwolle zu benutzen.
1 Umweltbundesamt, Vergleich der Umweltauswirkungen von Polyethylen- und Papiertragetaschen, 1988. 2 ebd. 3 ebd.
»Beton ist böse«
Der Baustoff Beton besteht hauptsächlich aus Zement, Wasser, Sand und Kies. Er gilt heutzutage geradezu als Sinnbild einer »unnatürlichen« Architektur. Vermutlich liegt das an den häßlichen, als »Betonbunker« verrufenen Wohnkomplexen, die in den sechziger und siebziger Jahren an die Stadtränder gebaut wurden. Schuld am scheußlichen Aussehen dieser Hochhäuser sind jedoch Architekten, Bauherren und Behörden und nicht das Baumaterial.
Die Behauptung, Beton sei im Gegensatz zu anderen Baustoffen unnatürlich, läßt sich bei näherem Hinsehen nicht aufrechterhalten. Auch Ziegelsteine, Stahl, Aluminium und Holz sind nicht einfach naturgegeben, sondern Endprodukte von Verarbeitungsprozessen. Überdies kommt Beton in Form von Nagelfluh (ein Konglomerat der tertiären Molasse im Alpenvorland) in der Natur vor. 1 Schon die Römer bauten mit Beton. Aus der »opus caementitium« genannten Masse stellten sie Zisternen, Thermen, Fundamente, Wasserleitungen und sogar die Kuppel des Pantheon her.
Ein weiterer Vorwurf gegen Beton ist durchaus berechtigt: Das Material hat schlechte Wärmedämmungseigenschaften. Doch heutzutage werden Betonwände und -decken mit Dämmschichten versehen, die diesen Nachteil kompensieren. Auch die Behauptung, Betonwände enthielten mehr Feuchtigkeit als Konstruktionen aus anderen Baustoffen, konnte von den Herstellern widerlegt werden. 2
Immer wieder ist auch zu hören, Beton würde im Gegensatz zu anderen Baumaterialien nicht »atmen«. »Die angeblich atmenden Wände sind ein hartnäckiger Mythos«, erklärt der Fachautor für Bauthemen Wolfgang Wirtz. »Über 90 Prozent der Raumluft wird durch Fenster, Türen und Ritzen ausgetauscht. Entscheidend ist immer, wie gut man lüftet.« Auch Burkhard Schulze-Darup, Architekt und Spezialist für ökologisches Bauen, hält eine pauschale Ablehnung von Bauelementen aus Beton für unsinnig. Er schreibt: »Unter ökologischen Gesichtspunkten spricht vieles für diese Materialien.« 3
Zement, der Hauptbestandteil von Beton, hat ebenfalls einen schlechten Ruf. Zement ist ein Kalk-Ton-Gemisch, das in extrem starker Hitze gebrannt und dann fein gemahlen wird. Zementfabriken waren früher große Umweltverschmutzer und sind es noch heute in Ländern mit niedrigen technischen Standards. In Deutschland hat sich die Zementindustrie allerdings vom staubigen Gewerbe zum Ressourcensparer entwickelt. Noch vor 30 Jahren war die Landschaft in der Nähe von Zementfabriken grau gepudert. Feiner Staub stieg aus den Schornsteinen der Brennöfen und aus den Mühlen auf. Heute ist aus den rauchenden Fabriken eine saubere High-Tech-Industrie geworden. In modernen Zementwerken konnte der Staubausstoß um 99 Prozent reduziert werden. Die Ingenieure arbeiten daran, das restliche Prozent zu halbieren. Auch der Wärmebedarf ging dank neuer Techniken seit den fünfziger Jahren um die Hälfte zurück. Allerdings stieg der Stromverbrauch seit 1960 von 80 auf 110 Kilowattstunden pro Tonne Zement. Durch verbesserte Mahlmethoden und moderne Steuerungsanlagen wurde er in den neunziger Jahren wieder um zehn Prozent gesenkt. 4
1 B. Schulze-Darup, Baubiologie, 1996. 2 Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 8. 4. 1997. 3 B. Schulze-Darup, Baubiologie, 1996. 4 Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 20. 8. 1996.
»Umweltbewußte Menschen ziehen in ein Öko-Haus im Grünen«
Wer seine Stadtwohnung verläßt, um auf dem Lande ein baubiologisch einwandfreies Energiesparhaus mit Solaranlage und Naturgarten zu bauen, tut der Umwelt damit keinen Gefallen. Denn als Pendler verpulvert er mehr Energie, als das schöne
Weitere Kostenlose Bücher