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Lexikon der Oeko-Irrtuemer

Lexikon der Oeko-Irrtuemer

Titel: Lexikon der Oeko-Irrtuemer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk und Miersch Maxeiner
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schon den Appetit verderben lassen? Also schwärmen die Landromantiker lieber vom ehrlichen Landleben, welches sie wahlweise in Oberbayern, Irland oder der Toscana vermuten. Dort lebt der kernige Bauersmann fernab von städtischer Hektik, qualmenden Auspuffen und dem Elektrosmog der Handys. Das Wahre, Schöne, Gute regiert im archaischen Rhythmus der Jahreszeiten, und die Psychoanalytiker sind arbeitslos. Auf dem Mist kräht der Hahn, die Frösche quaken im Feuchtbiotop, und eine rosige Bäuerin steht auf dem blumengeschmückten Balkon und schneidet mit kundiger Hand eine gewaltige Scheibe dunklen Brotes ab. Alles ist noch echt und einfach und die Welt heil.
    Irrtum Nummer Zwei: Die besser Informierten wissen schon lange, was sich vor den Stadtmauern wirklich abspielt. Dort zieht der Bauer mit der Feldspritze über den Acker und duscht den geschundenen Boden mit Chemiegift bis der letzte Regenwurm dahinscheidet. Derweil schleicht die Bäuerin zu den rinderwahnsinnigen Kälbern, die in dunklen Boxen vor sich hin dämmern, um den gemarterten Kreaturen ihre tägliche Hormonspritze zu verabreichen. Abends sitzen beide auf der Designercouch ihrer protzigen Landvilla und addieren die fetten Schecks aus Brüssel, mit denen sie für ihr schändliches Tun belohnt werden. Noch schlimmer geht es nur bei afrikanischen Bauern zu, deren halbverhungerte Rinderherden die letzen Grashalme des Kontinents ausrupfen, bis sich eines Tages die Sahara mit der Namib-Wüste vereinigt. Das Schlimmste an Irrtum Nummer Zwei ist, daß leider ziemlich viel davon stimmt. Dennoch gibt es auch auf dem Lande - und sogar in Afrika - ein paar Lichtblicke.

»Landwirtschaft schützt die Natur«
      
    Das sagt der deutsche Gesetzgeber. In § 1, Absatz 3 des Bundesnaturschutzgesetzes heißt es, die ordnungsgemäße Landwirtschaft diene in der Regel den Zielen dieses Gesetzes. Ein schönes Beispiel dafür, daß krasse Öko-Irrtümer sogar Gesetzeskraft erreichen können.
    Das Gegenteil ist wahr. Keine Aktivität des Menschen geht so sehr auf Kosten der Natur wie die Landwirtschaft. Allein schon die flächenmäßige Ausdehnung des Agrarbereichs macht das deutlich: 54,7 Prozent der Fläche in Deutschland ist landwirtschaftlich genutzt. Die Industrie beansprucht gerade einmal 0,7 Prozent. 1 In den Vereinigten Staaten waren 1987 zirka 19 Millionen Hektar mit Häusern, Straßen, Flughäfen und Fabriken überbaut. Dagegen umfaßte die landwirtschaftliche Fläche nahezu das Neunfache: 170 Millionen Hektar. 2
      
Flächennutzung in Deutschland
      

      
    Landwirtschaftliche Betriebe bewirtschaften über die Hälfte der Fläche der Bundesrepublik. Kein anderer Wirtschaftszweig beeinflußt und verändert die Natur SO Stark. (Quelle: Bundeslandwirtschaftsministerium 1997)
      
    Moderne Landwirtschaftsbetriebe haben soviel mit Natur zu tun wie Golfplätze oder Fußballfelder. Nutzpflanzen und -tiere sind vollkommen abhängig vom menschlichen Management und kaum noch in der Lage, ohne Hilfsmittel zu überleben. Die Feldfrüchte reifen auf einem durch und durch veränderten Boden heran, der mittels mechanischer Bearbeitung, Dünger und Pestiziden für sie optimal gestaltet wurde. Ebenso wie die Pflanzen sind die Tiere hoch selektiv gezüchtet und werden mit Kraftfutter und Medikamenten auf völlig unnatürliches Wachstum getrimmt.
    Landwirtschaft ohne Naturveränderung und Naturzerstörung ist nicht möglich. Würden die heutigen Menschen wie unsere Urahnen als Jäger und Sammler wirtschaften, würden sie verhungern und viele Wildtiere in kürzester Zeit ausrotten. Wir alle brauchen die Landwirtschaft. Die moderne Agrotechnik hat in vielen Regionen der Erde den Hunger beseitigt und ist Grundlage des Wohlstandes in den reichen Industrieländern.
    Doch in den wohlhabenden Ländern des Nordens hat sich eine Form der Landwirtschaft durchgesetzt, die sinnlos Überschüsse produziert und dabei die Natur extrem belastet. War die Flur einst der artenreichste Lebensraum, so ist sie heute der artenärmste. In den Städten leben längst mehr Arten als auf Feldern und Wiesen. Rund 70 Prozent des Artenrückganges in Mitteleuropa gehen auf direkte oder indirekte Auswirkungen moderner Landwirtschaft zurück. Der schlimmste Schaden wird nicht etwa mit Pestiziden angerichtet, sondern durch Überdüngung. Mehr als 100 Kilogramm Stickstoff setzt der deutsche Durchschnittslandwirt pro Hektar und Jahr ein. 3 [Grafik siehe unten] Weitere 30 bis 50 Kilo kommen durch Autoabgase,

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