Lexikon der Oeko-Irrtuemer
Großfeuerungsanlagen und Ammoniakdämpfe aus der Massentierhaltung hinzu. Mit solchem Nährstoffüberschuß können nur noch wenige Pflanzenarten existieren, beispielsweise der Löwenzahn. So entstehen ökologisch verarmte Wiesen, die allerdings üppig wachsen. Die Folge: Sonnenstrahlen dringen nicht mehr durch den grünen Teppich. Auch im Frühsommer bleibt es am Boden feucht und kalt. Insekten und die Küken bodenbrütender Vögel sterben, denn sie brauchen Wärme, um zu überleben. 4
Kunstdünger-Einsatz pro Hektar Landwirtschaftsftäche
Der Einsatz von Kunstdünger geht seit Ende der achtziger Jahre zurück. Er ist jedoch nach wie vor zu hoch und schadet dem Grundwasser, Pflanzen und Tieren. (Quelle: Bundeslandwirtschaftsministerium, 1997)
Was die Pflanzen nicht aufnehmen können, wird in die Flüsse gewaschen oder landet im Grundwasser, Rund 65 Prozent der Stickstoffeinträge in Deutschlands Flüsse kommen aus der Landwirtschaft. 5
Der Mineraldünger hat wahre Wundertaten vollbracht. So stieg der Weizenertrag pro Hektar von 1951 bis 1990 von 2 860 auf 6 620 Kilogramm. Bei Hafer und Zuckerrüben verdoppelten sich die Erträge, und die Kartoffelernte pro Hektar nahm um mehr als ein Drittel zu. Im gleichen Zeitraum stieg die Menge des eingesetzten Düngers um das Vierfache. Doch die Ackerpflanzen können gar nicht so viel aufnehmen. 1951 wurden noch 77 Prozent der zugeführten Stickstoff-Verbindung gen von den Pflanzen verarbeitet, 1980 waren es nur noch 27 Prozent ' (1990 38 Prozent). Der Rest versickert in der Erde: 95 Kilogramm Stickstoff-Verbindungen pro Hektar gehen als Überschuß den Bach runter (1951 waren es 7,2 Kilogramm, 1980 126 Kilogramm). 6
Überdüngung ist zwar der gravierendste, aber nicht der einzige Umweltschaden, den die Landwirte anrichten. Aus den Fabrikställen entweichen große Mengen Methan (36 Prozent der gesamten deutschen Methan-Emission). Die Güllewirtschaft setzt 90 Prozent des bundesdeutschen Ammoniakausstoßes frei, zudem beträchtliche Mengen Stickoxide. Aus natürlichem und mineralischem Dünger steigt Lachgas in die Atmosphäre (40 Prozent Anteil an der Gesamtemission von N 2 0 in Deutschland). 7 Gülledämpfe lassen die Bäume in der Umgebung mancher Tierfabriken absterben. Der umweltpolitische Sprecher der bayerischen SPD kritisierte, daß Überdüngung und Massentierhaltung mehr zur Umweltverschmutzung beitrage, als der Straßenverkehr. 8
Britische Wissenschaftler erforschten die Vogelwelt auf Farmen und kamen zu dem Schluß, daß die moderne Landwirtschaft ökologische Öde produziert. Die Bestände fast aller Vogelarten gehen auf dem Ackerland drastisch zurück. 9
Landflucht der Vögel: Bestandsrückgang auf landwirtschaftlichen Flächen innerhalb der letzten 30 Jahre
Feldsperling
-89
%
Dompfaff
-76
%
Rauchschwalbe
-43
%
Rebhuhn
-82
%
Singdrossel
-73
%
Misteldrossel
-39
%
Grauammer
-80
%
Kiebitz
-62
%
Schafstelze
-31
%
Turteltaube
-77
%
Feldlerche
-58
%
Goldammer
-17
%
Dänische Forscher verglichen konventionelle Betriebe mit Öko-Höfen. Ergebnis: 35 von 48 registrierten Vogelarten kamen auf Biobetrieben häufiger vor. 10 Auch Säugetiere, wie Füchse, werden Opfer von Agrargiften. 11
Als Ausweg aus dem Sumpf aus Subventionen, Überproduktion, Umweltzerstörung und Tierquälerei empfiehlt der Reformflügel der EU-Agrarpolitiker (darunter auch solche, die dem Öko-Landbau nahestehen), daß Bauern in Zukunft keine Zuschüsse mehr für ihre Produktion erhalten sollen, sondern für Landschaftspflege. EU-Agrarkommissar Franz Fischler erklärte in einem Interview, der Bauer der Zukunft müsse »Landschaft produzieren«. 12 Das ist vermutlich immer noch vernünftiger, als Milch- und Gülleseen zu produzieren, aber ist es ökologisch sinnvoll? Fischler fuhrt an, daß nur Landwirtschaff im Gebirge die »Offenhaltung der Landschaff« sicherstelle. Das ist wahr, aber warum muß die Landschaft offen gehalten werden? Warum muß der Wald bekämpft werden, der sich in europäischen Gebirgstälern natürlicherweise ansiedeln würde? Es ist ja verständlich, wenn die Seele vieler Menschen an lieblichen Kulturlandschaften wie dem Allgäu hängt. Doch Heimatliebe und Naturschutz sind nicht das gleiche. Wenn die Bürger Geld für den Erhalt einer bäuerlichen Kulturlandschaft bezahlen wollen, dann ist dies eine ehrenwerte kulturelle Entscheidung, wie Denkmalschutz und Dorfverschönerung. Fragt sich nur, warum so viele Menschen nach Amerika
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