Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (E-Book zu Print) (German Edition)
aus schwarz geränderten, erloschenen Papiervulkanen. Hawaii wird oft als Musterbeispiel für eine Mantelplume genannt. Wie viele es insgesamt geben könnte, ist umstritten; die Schätzungen aus den letzten Jahrzehnten schwanken zwischen einer Handvoll bis etwa fünftausend. Die eleganten Plumes erklären einwandfrei eine ganze Reihe von Dingen, zum Beispiel viele Eigenschaften der hawaiianischen Inselkette: Die nämlich liegt quer im Pazifik, und je weiter man von der praktisch brandneuen «Big Island» im Südosten in Richtung Nordwesten vordringt, desto älter werden die Inseln, bis man am Ende der Kette etwa bei einem Alter von 50 Millionen Jahren angelangt ist. Ungefähr stimmen Position und Alter der Inseln mit der Bewegung der pazifischen Platte überein, durch die sich die mutmaßliche Plume hindurchbrennt. Besonders schön an den Mantelplumes: Sie entstehen im Erdmantel, vielleicht sogar im Erdkern, also Hunderte, vielleicht mehrere tausend Kilometer unter der Oberfläche. Weil man diese Regionen ansonsten nur besichtigen kann, wenn man in einem Buch von Jules Verne mitspielt, könnten tief verwurzelte Plumes uns wichtige Dinge aus dem Herz der Finsternis mitteilen – falls es sie denn gibt.
Denn das ist mittlerweile nicht mehr so klar. Obwohl sich die elegante Plume-Hypothese über die Jahrzehnte in den meisten Lehrbüchern (und daher Köpfen) eingenistet hat, gab es immer einige renitente Zweifler, zum Beispiel Don Anderson, Geologe vom California Institute for Technology. In den letzten zehn Jahren jedoch ist die Zahl der Kritiker, ihre Lautstärke und ihre Publikationsrate beachtlich angestiegen. Konferenzen werden abgehalten, die sich ausschließlich damit befassen, warum es Plumes nicht gibt, vorzugsweise an Orten vulkanischen Ursprungs. Und schließlich errichtete Gillian Foulger von der Universität in Durham, eine der prominentesten Plume-Gegnerinnen, ein spezielles Internetportal, das den Erdinteressierten mit zahllosen Details über seismische Aktivität, Temperaturanomalien und lithosphärische Ablösung bombardiert. Wem das zu viel ist, für den seien hier einige Argumente für und wider die Plume-Hypothese zusammengefasst.
Zum Beispiel ist die Magmaproduktion der hawaiianischen Vulkane keinesfalls konstant, sondern stark veränderlich. Es kann sich also, so sagen die Kritiker, nicht um einen ordentlichen Plume-Schlot handeln, der unbeirrbar Lava nach oben pumpt. Allein in den letzten 5 Millionen Jahren hat sich der Lavaausstoß verzehnfacht: Jedes Jahr strömen etwa hundert Millionen Kubikmeter Gestein aus dem Erdinnern in die Welt hinaus. Plumisten halten das nicht für ein Problem und argumentieren andersherum: Ohne Mantelplume hätte man enorme Schwierigkeiten, die Herkunft dieser großen Mengen Magma zu erklären.
Das nächste Argument der Plume-Gegner ist der «Imperatorrücken», eine Kette aus alten, erloschenen Vulkanen, die sich nordwestlich an die hawaiianische Inselkette anschließt und durch dieselbe Plume erzeugt worden sein müsste. Hawaiiinseln und Imperatorrücken gehen allerdings nicht einfach so ineinander über, sondern bilden einen Winkel von etwa 60 Grad – ein deutlicher Knick in der Vulkankette. Gäbe es eine ortsfeste Plume, die zunächst die Imperatorinseln, dann Hawaii gebildet hat, so müsste die pazifische Platte vor rund 50 Millionen Jahren plötzlich scharf abgebogen sein. Erdplatten haben jedoch genauso wie Güterzüge und Finanzämter ihre Probleme mit abrupten Richtungsänderungen. Es ist jedoch durchaus möglich, antworten Plumisten, dass die Plume durch Strömungen im Erdmantel abgelenkt wird und sich der «heiße Fleck» auf der Erdoberfläche bewegt – eine Mantelplume mit losem Ende.
Die Verteidiger der Plumes hätten es leichter, sich gegen ihre Kritiker zu behaupten, wenn sie ein Bild einer Mantelplume vorzeigen könnten. Im Idealfall sollte man darauf eine Plume sehen, die sich von den unteren Regionen des Erdmantels wie eine Made im Apfel knapp dreitausend Kilometer quer durch die Erde frisst. Ein solcher direkter, unumstrittener Nachweis fehlt jedoch bisher. Die Methode dafür ist schon erfunden: Mit zahlreichen, überall auf der Erde verstreuten Messgeräten vollzieht man nach, wie sich Erdbeben im Innern der Erde ausbreiten, und errechnet daraus, wie es dort unten aussieht. Bis heute ist es allerdings nicht gelungen, eine Mantelplume zweifelsfrei bis in die Tiefen des Erdmantels zu verfolgen.
Viele Alternativen zur Plume-Hypothese wurden
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