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Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (E-Book zu Print) (German Edition)

Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (E-Book zu Print) (German Edition)

Titel: Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (E-Book zu Print) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Passig , Aleks Scholz
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Halluzinogene im Kopf anstellen. Den Ratten verdanken wir jedenfalls einige neue Erkenntnisse über die beteiligten Rezeptoren. Viele halluzinogene Substanzen ähneln in ihrer Struktur offenbar dem Serotonin, einem der wichtigsten Nervenbotenstoffe im Gehirn. Es gibt zahlreiche verschiedene Serotonin-Rezeptoren, wobei die halluzinogene Wirkung wahrscheinlich vor allem durch Aktivierung des sogenannten Serotonin-2A-Rezeptors zustande kommt. Irritierend ist dabei, dass speziell LSD diesen Rezeptor ziemlich unbeeindruckt lässt, trotzdem aber schon in kleinster Dosierung dramatische Wahrnehmungsveränderungen auslöst und erheblich stärker wirkt als andere Halluzinogene. Daher sind vermutlich noch andere Rezeptoren im Spiel, darunter solche für den Nervenbotenstoff Dopamin.
    Leser, die jetzt nicht so ganz nachvollziehen können, wie diese Vorgänge an Rezeptoren dazu führen, dass das Gehirn vom normalen Wachbewusstsein in einen anderen Bewusstseinszustand umschaltet, befinden sich in guter Gesellschaft, denn das geht Fachleuten nicht wesentlich anders. In den letzten Jahren sind aber gewisse Fortschritte zu verzeichnen: Neueren Studien zufolge wirken Halluzinogene vor allem auf das Stirnhirn und den Thalamus, das «Tor zur Wahrnehmung». Stirnhirn und Thalamus gelten als die wahrscheinlichsten Orte, an denen aus äußeren Reizen Bewusstsein gemacht und Realität konstruiert wird, wobei man davon ausgeht, dass es keinen klar umrissenen «Sitz» des Bewusstseins im Gehirn gibt. Eine Erklärung lautet, dass Halluzinogene den Thalamus daran hindern, die auf uns einströmenden Informationen vorzusortieren. Alle Wahrnehmungen dringen jetzt weitgehend ungefiltert ins Stirnhirn vor und benehmen sich dort wie ein Sack Flöhe. Eine 2002 erschienene Studie der University of Utah (überraschenderweise aus dem Fachbereich Mathematik) deutet darauf hin, dass geometrische visuelle Halluzinationen wie Schachbrettmuster, Spinnweben, Tunnels und Spiralen durch die Verwirrung einer spezifischen Gehirnregion entstehen könnten, die ansonsten für die Verarbeitung von Kanten und Umrissen zuständig ist. Auch die Veränderungen der Zeitwahrnehmung werfen interessante Fragen auf, denn wie Zeit im menschlichen Gehirn wahrgenommen und verarbeitet wird, ist alles andere als abschließend erforscht, ob mit oder ohne Drogen. Klar ist jedenfalls, dass die von halluzinogenen Substanzen am stärksten beeinflussten Regionen im Gehirn gleichzeitig die sind, für die sich Bewusstseinsforscher am meisten interessieren. Falls es gelänge, mehr darüber herauszufinden, wie Halluzinogene in die Schaltkreise unseres Gehirns eingreifen, wäre man vermutlich einer Antwort auf die Frage näher, wie aus Gehirnzuständen Bewusstsein werden kann.
    Allerdings halten keineswegs alle Fachleute es für selbstverständlich, dass das Bewusstsein durch das Zusammenspiel verschiedener Bereiche eines puddingartigen grauen Organs entsteht. Womöglich ist das Gehirn nur eine Art Fernseher und das Bewusstsein das außerhalb und unabhängig von diesem Empfangsgerät existierende Fernsehprogramm? Zudem darf auch hier die obligatorische Alien-Theorie nicht fehlen: Dem Ethnopharmakologen und Philosophen Terence McKenna zufolge sollten wir nicht darauf hoffen, dass außerirdisches →Leben ausgerechnet mit Hilfe der von uns dafür vorgesehenen technischen Mittel Kontakt zu uns aufnimmt. Vielmehr handelt es sich, so McKenna, beim Psilocybinpilz um eine außerirdische Bewusstseinsform, die im Kontakt mit Planetenoberflächen ein Myzel-Netzwerk ausbildet, sich aber durch den Rest der Galaxie in Form von Sporen verbreitet. Wer mit Außerirdischen sprechen will, braucht daher kein teures Radioteleskop, sondern nur ein paar Fruchtkörper dieses Myzels im Tee.
    Auch wenn man solche Vorstellungen für Hippiekram hält, darf man sich die Frage stellen, warum Menschen unter dem Einfluss halluzinogener Substanzen so häufig von den gleichen Ideen heimgesucht werden, die man aus den großen Religionen kennt: die mystische Einheit mit Gott und dem Universum, das menschliche Dasein als Illusion. Kommt der Mensch grundsätzlich immer nur auf dieselben paar Ideen? Oder entspringen Religion und Drogenideen denselben Prozessen im Gehirn? Der Neurowissenschaftler und Verhaltensbiologe Roland Griffiths sagt über eine 2006 an der Johns-Hopkins-Universität durchgeführte Studie über spirituelle Erlebnisse unter dem Einfluss von Psilocybin: «Wir haben dazu noch keine Daten erhoben, aber es gibt

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