Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (E-Book zu Print) (German Edition)
Präsidenten Gerald Ford. Anwesend war unter anderem Dick Cheney als Stellvertreter von Donald Rumsfeld, der zu dieser Zeit Stabschef im Weißen Haus war, wobei es umstritten ist, ob Rumsfeld selbst am Treffen teilnahm. Laffer kann sich an die Details des Treffens nicht mehr erinnern, sodass man darauf angewiesen ist, die Version von Jude Wanninski zu glauben, damals Mitherausgeber des renommierten «Wall Street Journal» und bis heute starker Befürworter von Laffers Theorie. Wanninski zufolge zeichnete Laffer die Kurve auf eine Serviette, um Cheney davon zu überzeugen, dass die Steuern gesenkt und nicht erhöht werden sollten, um die Wirtschaft anzukurbeln und infolgedessen die Staatseinnahmen zu sanieren. Cheney und Rumsfeld waren zwar angemessen beeindruckt, Ford jedoch folgte dem Vorschlag nicht. Laffer selbst hält Wanninskis Serviettengeschichte für fragwürdig, denn seine, Laffers, Mutter habe ihn «dazu erzogen, keine schönen Dinge zu entweihen». Seit dieser Episode jedenfalls heißt der Zusammenhang zwischen Steuersatz und Staatseinnahmen «Laffer-Kurve» und wird in jedem Lehrbuch als schöne, symmetrische Glockenkurve mit Beginn und Ende bei 0 sowie einem Maximum bei 50 Prozent Steuersatz dargestellt.
Diese ideale Gestalt der Kurve ist allerdings frei erfunden und hat mit der Wirklichkeit vermutlich nichts zu tun. Das genaue Aussehen der Laffer-Kurve, insbesondere die Lage des Maximums, ist heftig umstritten. Zahlreiche Publikationen befassen sich damit, den Zusammenhang zwischen Steuersätzen und daraus resultierendem Staatseinkommen mit Hilfe von mathematischen Modellen zu untersuchen. Dabei beschreibt man die Vorgänge in der Volkswirtschaft mit Hilfe eines Systems von Gleichungen, die miteinander gekoppelt sind. So hängen die Einnahmen des Staates aus Einkommenssteuern nicht nur von den Steuersätzen ab, sondern auch davon, wie viele Menschen arbeiten und was sie dabei verdienen. Die Höhe der Bruttogehälter hängt davon ab, wie erfolgreich die Arbeitgeber sind, also wie viele Produkte sie verkaufen. Dies wiederum hängt unter anderem davon ab, wie viel →Geld die Menschen nach Abzug der Steuern übrig behalten und somit ausgeben können, was logischerweise wiederum mit den Steuersätzen zu tun hat. Insgesamt entsteht ein komplexes, verschachteltes Gefüge.
Hier nur einige wenige Resultate aus solchen Modellrechnungen. Die Laffer-Kurve, die Peter Ireland in einer Studie aus dem Jahr 1994 erhält, hat ihr Maximum bei Steuersätzen von 15 Prozent. Mit einem etwas anderen Modell errechnete Paul Pecorino 1995 einen optimalen Steuersatz zwischen 60 und 70 Prozent. In einer weiteren Arbeit aus dem Jahr 1982 erhielt Don Fullerton gar einen optimalen Steuersatz von 79 Prozent. Das sind verwirrend unterschiedliche Zahlen. In einer aktuelleren Arbeit aus dem Jahr 2005 versuchten N. Gregory Mankiw und Matthew Weinzierl eine etwas allgemeinere Aussage zu treffen und führten zahlreiche Erweiterungen ein, die das Modell näher an die Realität bringen sollten. Sie kamen unter anderem zu dem Schluss, dass die Wirtschaft sehr empfindlich auf Steueränderungen reagiert und sich Steuersenkungen so zum Teil selbst finanzieren können. In welchem Ausmaß dies geschieht, ist jedoch schwer vorauszusagen. Ob es überhaupt möglich ist, tatsächlich mehr einzunehmen, wenn man weniger Steuern verlangt – wie von Laffer beschrieben –, ist unklar.
Die realistische Simulation einer Volkswirtschaft ist eine schwierige Aufgabe. Auch wenn die Modelle komplex und ausgereift sind, geben sie die Wirklichkeit nur stark vereinfacht wieder, weil die Wirklichkeit noch komplexer und ausgereifter ist. Die Einkommensteuer zum Beispiel ist in vielen Ländern (unter anderem in Deutschland) progressiv – für höhere Einkommen gelten auch höhere Steuersätze. So kann es sein, dass für eine bestimmte Einkommensgruppe ein Laffer-Effekt eintritt, weil die Steuern zu hoch sind, für alle anderen aber nicht. Zudem erzeugen viele Ausnahmen, Sonderregelungen und Ausnahmen von Sonderregelungen einen undurchdringlichen, komplizierten Wirrwarr im Steuersystem, der es beinahe unmöglich macht, vorherzusagen, was passiert, wenn man irgendwo eine Kleinigkeit verändert. Mit unseren Steuersystemen haben wir über die Jahrhunderte vielbeinige Monster herangezüchtet, die schwer zu bändigen sind.
In Laffers Veröffentlichungen zu seiner Kurve findet man ausführliche Belege für seine Theorie, insbesondere bezogen auf Ereignisse in der
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