Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (E-Book zu Print) (German Edition)
nicht lange her, da ging man davon aus, dass Leben schon irgendwie spontan aus →Wasser oder Schlamm entstehen würde. Es gab dafür schließlich handfeste Beweise, denn wenn man Abfall und Müll nur eine Weile stehen ließ, kamen scheinbar ganz von alleine Maden und Ratten aus ihm hervor. Die Erfindung des Mikroskops im Jahr 1590 war der Anfang vom Ende dieser schönen, simplen Theorie. Louis Pasteur schlug 1864 den letzten Nagel in ihren Sarg: Sah man sich nämlich die vermeintlich unbelebte Materie etwas genauer an, so stellte sich heraus, dass Leben allgegenwärtig ist – selbst im Abfall.
Die Suche nach dem Ursprung des Lebens auf der Erde ist von doppelter Schwierigkeit. Zunächst muss man herausfinden, wie die Erde kurz nach ihrer Geburt aussah, was bereits nicht leicht ist. Und wenn man das weiß, muss man aus dem, was man auf der leblosen Erde zur Verfügung hat, Leben herstellen, zunächst seine allereinfachsten Bausteine, insbesondere Aminosäuren, die Bestandteile des Eiweißes, und daraus dann primitive Lebensformen. Wie aus diesen in der Folge Pantoffeltierchen und Deutsche Schäferhunde entstehen, ist eine andere Frage, die hier nicht behandelt werden soll.
Wir wissen heute mit großer Sicherheit, dass sich die Erde vor ziemlich genau 4,6 Milliarden Jahren aus einem Schutthaufen bildete, der die Sonne umkreiste – den Resten des Materials, aus dem zuvor die Sonne entstanden war. Aber leider hat niemand die Entwicklung der jungen Erde vernünftig dokumentiert. Alles, was man uns aus den ersten 500 Millionen Jahren hinterließ, ist eine Handvoll alter Steine. Schlimmer noch: Das erste Leben hat überhaupt nichts Brauchbares für uns hinterlassen. Die ältesten Nachweise von Leben sind verschiedene versteinerte Kleinstorganismen, die zwischen 3,5 und 3,8 Milliarden Jahre alt sein dürften – hart umstrittene Zahlen natürlich. Diese Lebewesen und alles, was danach kam, stammen vermutlich von einem «letzten gemeinsamen universalen Vorfahren» («last common universal ancestor», auch LUCA genannt) ab, von dem man lange annahm, dass er vor circa 3,9 Milliarden Jahren die Bühne betrat. Mittlerweile scheint es wahrscheinlicher, dass es bereits vorher losging, auf einer höchst unwohnlichen Erde, die von Kometen und Meteoriten bombardiert wurde und auf der Vulkanausbrüche an der Tagesordnung waren. Es waren die dunklen, wüsten Zeiten der Erdgeschichte, in die man nicht einfach ein Kamerateam von «National Geographic» schicken kann, um bunte Bilder zu erhalten.
Eines weiß man sicher über die frühe, leblose Erde: Es gab noch keinen Sauerstoff; den haben netterweise die ersten Lebewesen für uns produziert. Davon abgesehen ist die Zusammensetzung der Uratmosphäre allerdings umstritten. Seit etwa den 1920er Jahren ist die Vorstellung verbreitet, dass sie im Wesentlichen aus Methan und Ammoniak bestand. Ammoniak riecht ziemlich unangenehm, was nicht gerade dazu beitrug, die frühe Erde zu einem angenehmeren Ort zu machen. Eine solche Atmosphäre hätte jedoch einen entscheidenden Vorteil: Sie bietet günstige Voraussetzungen zur Herstellung von Aminosäuren. Im Jahr 1953 demonstrierte Stanley Miller dies erstmals im Labor. Miller, damals noch Student, versammelte unter Anleitung seines Professors Harold Urey die vermeintliche Uratmosphäre in einem Gefäß, füllte Wasser in ein anderes und ließ beides durch elektrische Entladungen, Blitze also, miteinander wechselwirken. Tatsächlich ergab dieses einfache Kochrezept eine Ursuppe aus Aminosäuren, über deren Geschmack allerdings nichts überliefert ist. Ähnliche Experimente wie Miller und Urey hatte schon 1871 Charles Darwin angestellt, wenn auch nur im Inneren seines Kopfes. Er spekulierte über einen «warmen Teich mit allen möglichen Ammonium- und Phosphorsalzen, Licht, Hitze, Elektrizität», aus dem sich die Bausteine des Lebens formen. Für den Anfang des Lebens braucht man also eine stinkende Atmosphäre, genug Wasser und heftige Gewitter.
Natürlich nur, falls es wirklich Methan und Ammoniak in der Uratmosphäre gab, worüber man sich immer noch nicht einig ist. Aber selbst wenn die Atmosphäre so war, wie sie sich Urey und Miller vorstellten – wo kam das Wasser her? Wasser ist eine unabdingbare Voraussetzung für die Entstehung und Entwicklung von Leben, ohne Wasser kein Urozean und ohne Urozean keine Ursuppe. Wie das Wasser auf die Erde kam, ist allerdings wiederum unbekannt. In einigen Theorien geht man davon aus, dass
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